Profil:Gordon Brown

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Der britische Ex-Premier und Besserwisser kämpft gegen den Brexit.

Von Cathrin Kahlweit

Die Haare etwas zu lang, die Stimmung etwas zu aufgekratzt - so präsentierte sich Gordon Brown am Dienstag einem überraschend jungen Publikum in London, das vom früheren britischen Premierminister hören wollte, was die aktuelle Regierung alles falsch macht und was er, der erfahrene Labour-Mann und Krisenmanager, anders machen würde.

Der 67-Jährige sitzt zwar seit 2015 nicht mehr im Parlament und hat sich seither als UN-Sonderbotschafter vor allem um Bildung in Entwicklungsländern gekümmert, aber Brown ist im Königreich immer noch eine Legende, wenn auch nicht unbedingt eine positiv besetzte: Brown, unter Tony Blair zehn Jahre lang Finanzminister und dann, nach Blair, drei kurze Jahre Premier, gilt bis heute als womöglich unbeliebtester Regierungschef der britischen Nachkriegszeit. Selbst Theresa May erhält, und sei es aus Mitleid, mehr Sympathiebekundungen von ihren Gegnern, als der einst für seine Ruppigkeit und Arbeitswut bekannte Schotte je erwarten konnte. Ein gern erzählter Witz über den langjährigen Schatzkanzler während seiner Amtszeit als Premier, die mit einer schweren Wahlniederlage endete, ging so: "Was haben Gordon Brown und ein Trabi gemeinsam? Man wartet zehn Jahre, bis man sie kriegt, und dann fällt nach sechs Monaten alles auseinander."

Aber in einer Zeit, in der die Bürger angesichts der Brexit-Krise nach neuen Köpfen und frischen Lösungen rufen, kommt ein Ex-Politiker, der das Regierungsviertel gut kennt, wie gerufen. Und wer weiß: Dass Brown jüngst bei einem großen Kulturfestival in Wales auftrat, sich danach von der BBC interviewen und nun in der Hauptstadt vor ausverkaufter Halle feiern ließ, könnte darauf hindeuten, dass er sein Comeback plant. Der aktuelle Labour-Chef Jeremy Corbyn gilt als angeschlagen. Browns Vorgänger im Amt, Tony Blair, ist bei den Briten fast so unpopulär, wie Brown es einst war. Und verlässliches Führungspersonal ist in der britischen Politik derzeit ohnehin Mangelware.

Den Brexit, der das Land spaltet, hält der studierte Historiker, der zeitweilig auch Journalist war, nicht für ausgemacht. Es sei durchaus möglich, sagt er, dass Großbritannien in der EU bleibe - oder sich bald schon erneut in der EU wiederfinde. Es sei ein Fehler, die Gemeinschaft zu verlassen, denn das, was die Briten erreichen wollten, die Kontrolle über Grenzen und Einwanderung, Finanzen und Handel, sei auch innerhalb der EU möglich. "Lasst uns nicht weglaufen vor den Problemen, sondern die Union mitgestalten", fordert Brown, der den Brexit im Übrigen nicht für eine Entscheidung gegen die EU, sondern für die "größte Rebellion der Wähler gegen das eigene Establishment" hält. Selbst wenn es also gelinge, den Brexit zu stoppen, müssten die zugrunde liegenden Probleme, die die Bürger im Referendum bewegt hätten, angegangen werden: Löhne, Arbeitsplätze, Gesundheitsversorgung, Migration.

Brown und Labour-Kollege Blair sind derzeit beide auf Anti-Brexit-Tour, ansonsten aber verbindet die beiden Männer wenig: Sie sind sich seit Jahren in herzlicher Abneigung verbunden. Pfarrerssohn Brown und Anwaltssohn Blair lernten sich früh in ihrer Parteikarriere kennen und verabredeten Mitte der 90er-Jahre, dass Brown dem damaligen Freund Blair zuerst den Vortritt beim Kampf um Downing Street lassen würde; später sollte Blair für Brown zurücktreten. Blair, Erfinder des Dritten Wegs, machte aber erst nach zweieinhalb Amtszeiten den Platz für seinen Schatzkanzler frei, der dann in einer denkbar schwierigen Zeit das Amt übernahm: Brown musste Großbritannien durch die Finanzkrise führen.

Einen wichtigen Sieg hat er aber errungen: Sein Kampf gegen die schottische Unabhängigkeit, über die 2o14 per Referendum abgestimmt wurde, hat dazu beigetragen, dass Schottland Teil des Königreichs blieb. Jetzt hat Brown, wenngleich sehr spät, den Kampf gegen den Brexit aufgenommen.

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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