Süddeutsche Zeitung

Profil:Gary D. Cohn

Wall-Street-Banker mit Spezialauftrag von Donald Trump.

Von Nikolaus Piper

Wenn es einen Menschen gibt, in dem sich die Widersprüche des neuen Washington spiegeln, dann ist das Gary D. Cohn. Große Teile seines Wahlkampfs hatte Präsident Trump mit Tiraden gegen die Wall Street bestritten. Kaum im Amt, machte er den 56-jährigen Wall-Street-Banker zum Chef des National Economic Council, also zu seinem obersten Wirtschaftsberater. In der Funktion soll Cohn nun das Gesetzeswerk (Dodd-Frank Act) abwickeln, mit dem in der Ära Obama versucht worden war, die Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen und die Banken sicherer zu machen. Ein Mann der Wall Street dereguliert Wall Street - eine Extremform von Lobbyismus, wie sie ein Satiriker auch nicht schöner hätte erfinden können.

Bis zur Wahl Trumps war Cohn Präsident der Investmentbank Goldman Sachs. Er war damit der zweite Mann hinter dem CEO Lloyd Blankfein. Lange galt Cohn bei Goldman auch als einer der Kandidaten für die Nachfolger Blankfeins. Dass er stattdessen in der Entourage eines rechtspopulistischen Präsidenten landen würde, hätte ihm wohl bis vor Kurzem niemand zugetraut. Cohn ist eingeschriebener Demokrat, er spendete für Barack Obama und Hillary Clinton. Durch extreme politische Ansichten fiel er nie auf. Für Kopfschütteln sorgte allenfalls, dass ihm Goldman zum Ausscheiden 285 Millionen Dollar zahlte. Das war zwar zum größten Teil eine Abfindung für Aktienoptionen, die Cohn als Partner bei Goldman zuvor schon erworben hatte. Trotzdem war die Summe selbst für die Wall Street viel, wo man in der Hinsicht einiges gewohnt ist.

Cohns Leben ist auch eine typische amerikanische Erfolgsgeschichte. Sein Vater Victor kam mit 13 Jahren als unbegleiteter Jugendlicher aus Polen in die USA. Als Kind litt Gary Cohn an einer schweren Leseschwäche. Ein Lehrer, so berichtete er später, habe seinen Eltern damals gesagt: Wenn sie sehr viel Glück hätten und eine Menge Zeit auf ihr Kind verwendeten, könne einmal ein guter Lastwagenfahrer aus ihm werden. Dank eiserner Disziplin und guten Professoren schaffte er schließlich einen Uni-Abschluss. Anschließend arbeitete er ein paar Monate beim Stahlkonzern U.S. Steel, dann ging er an die Wall Street und begann eine Karriere als Optionshändler. 1990 heuerte er bei Goldman Sachs an, er wurde Partner und stieg im Management auf. Auch mit umstrittenen Geschäften hatte er zu tun: 2009 reiste er nach Athen mit einem Vorschlag, der die Schulden des griechischen Gesundheitssystems weit in die Zukunft verschoben hätte. Das Geschäft kam nicht zustande.

Seine Deregulierungsaufgabe jetzt ist technisch hochkomplex, im Kern jedoch einfach. Nach der Finanzkrise hatte Obama die Banken gezwungen, höhere Reserven zu bilden und besonders riskante Geschäfte zu unterlassen. Das hatte die Wall Street geärgert, weil es Rendite und Wachstum kostete. Jetzt soll Cohn den Schalter umlegen: weniger Regeln, mehr Geschäfte, höhere Risiken.

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Quelle:
SZ vom 07.02.2017
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