Süddeutsche Zeitung

Profil:Frederik Willem de Klerk

Südafrikas irrlichternder Ex-Präsident.

Von Bernd Dörries

Frederik Willem de Klerk hätte einfach seinen Ruhestand genießen können und die Zeit damit verbringen, auf der ganzen Welt Vorträge zu halten, die ihm nicht nur gutes Geld eingebracht, sondern auch dazu beigetragen hätten, an seiner historischen Hinterlassenschaft noch ein paar letzte Schliffe vorzunehmen. Stattdessen wirkt es so, als habe sich der Friedensnobelpreisträger de Klerk entschieden, sein eigenes Denkmal einzureißen. De Klerk war der letzte Präsident des Apartheid-Staats, der dann mit Nelson Mandela den friedlichen Übergang verhandelte und dessen Stellvertreter wurde. Er galt als einer, der den mörderischen Irrtum eingesehen hatte. Aber hat er das wirklich? Die Apartheid sei kein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen", sagte der 83-Jährige in mehreren Interviews und Stellungnahmen in den vergangenen Tagen. Andere Systeme hätten weit mehr Opfer produziert.

Erst hörte niemand so richtig zu in Südafrika, wo de Klerk in den vergangenen Jahren nicht sonderlich präsent war. Als seine Zitate aber in den sozialen Medien immer mehr die Runde machten, wuchs die Empörung. Es war allerdings kein einheitlicher Aufschrei darüber, dass da ein älterer Herr die alten Zeiten verklärte: Südafrika debattiert 30 Jahre nach der Entlassung Nelson Mandelas aus dem Gefängnis wieder über die Apartheid und ihre Folgen. Ein Konsens ist dabei nicht zu erkennen. Aber ein Unterschied, wie jene sich erinnern, die selbst oder deren Eltern Teil des Regimes waren, und jene, die selbst zu den Opfern gehörten.

Die Stiftung von de Klerk schwadronierte: "Die Idee, dass die Apartheid ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war, war und bleibt ein Propaganda-Projekt der Sowjets und ihrer Verbündeten beim ANC, um weiße Südafrikaner zu stigmatisieren." Es ist der Sound der 80er-Jahre, der Tonfall des Regimes, das jede Kritik als kommunistische Propaganda abtat. Redet so ein Nobelpreisträger?, fragte sich das Land. Es fragte sich aber auch, wie viele Weiße eigentlich so denken.

Für die radikale Schwarzenpartei Economic Freedom Fighters waren de Klerks Worte ein Beweis dafür, dass die Rassentrennung formal zwar beendet sein möge, in Wahrheit aber fortbestehe, weil das Kapital und das Land weiter mehrheitlich im Besitz der weißen Minderheit seien. Bei manchen Weißen hingegen stieß de Klerk auf Zustimmung, sie sehen das Land in einem weit schlimmeren Zustand als zu Zeiten der Apartheid. "Seht her, was die aus unserem Land gemacht haben", ist ein Satz, den man im weißen Südafrika immer wieder hört, wenn es um die ja tatsächlich endemische Korruption des ANC geht, die das Land an den Abgrund gebracht hat.

Die meisten Opfer dieser Politik sind aber Schwarze, die weiter ohne Wasser und Strom leben, nicht das weiße Südafrika, das weiter mehrheitlich in schönen Häusern wohnt und fast nichts von dem Reichtum abgeben musste, der in Jahrhunderten der Unterdrückung entstanden ist. Den Tätern, die gestanden, wurde vergeben. Lasst es mal endlich gut sein mit den alten Zeiten, sagen sie heute.

"Viel zu viele weiße Südafrikaner verleugnen den wahren Horror der Apartheid", schreibt der Verfassungsrechtler Pierre de Vos zu der Diskussion um de Klerk, "sie wollten nicht zugeben, dass ihre Eltern aktiv oder aus Kalkül das System stützten, und sie heimsen noch immer die Vorteile ein, die ihnen das System der Apartheid beschert hat." Die Worte des ehemaligen Präsidenten seien eher die Spitze des Eisbergs als eine Verfehlung eines Einzelnen, merkten andere Kommentatoren an.

Frederik Willem de Klerk entschuldigte sich mittlerweile, falls seine Worte jemanden verletzt hätten. Auch sei er nun der Ansicht, dass die Apartheid durchaus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen sei, wie von den Vereinten Nationen anerkannt. Ein Mann versucht, sein Denkmal zu retten.

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SZ vom 19.02.2020
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