Süddeutsche Zeitung

Profil:Florian Schmidt

Berliner Baustadtrat und Bürgerschreck.

Von Jan Heidtmann

Die vergangenen Tage waren heftig - selbst nach den Maßstäben eines Florian Schmidt. Erst wurde im Bezirksparlament eine Rücktrittsforderung gegen ihn verhandelt, an diesem Montag dann gab es noch eine ganz amtliche Rüge für den Politiker. Eine "pflichtwidrige Ausübung von Vorkaufsrechten" bescheinigte ihm der Berliner Rechnungshof in seinem Jahresbericht. Der Bezirk sei eine Haftung für 27 Millionen Euro eingegangen, die nicht gedeckt gewesen sei. Und immer noch läuft ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft wegen Untreue gegen den Baustadtrat vom Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Schmidt, 44, hat es in gut drei Jahren zu einem der bekanntesten Politiker der Stadt gebracht. Und zu einem der umstrittensten. "Ich sehe meine Rolle darin, dass wir immer innovative Wege finden", sagt er zu seiner Amtsführung. "Wenn man etwas radikaler vorgeht, dann bietet man auch mehr Angriffsfläche." Das ist eine freundliche Umschreibung der Tatsache, dass kaum eine Woche vergeht, in der Schmidt nicht Thema in der Berliner Politik oder eines ausführlichen Reports der Hauptstadtmedien ist.

So warf das Magazin "Kontraste" des Senders RBB dem Grünen Schmidt in der vergangenen Woche vor, seine Behörde decke die Hausbesetzer in der Rigaer Straße. Seit Wochen wird zudem immer wieder Schmidts Einsatz zugunsten der Genossenschaft "Diese eG" angeprangert, zuletzt vom Rechnungshof. Die war gegründet worden, um bei sechs Mietshäusern zu verhindern, dass sie an ausländische Investmentfirmen verkauft werden. Zu Schmidts kleineren Affären zählt die Verkehrsberuhigung des legendären Bergmann-Kiezes. Dort setzte er einfach Findlinge auf die Straße - bis der Widerstand zu groß wurde. Kommentatoren hinterfragten daraufhin sein Demokratieverständnis. Für den Bezirksvorsitzenden der FDP Bernd Schlömer wirkt Schmidt wegen seiner Klientel-Politik "wie der Andreas Scheuer von Kreuzberg".

Schmidt kann einem gut erklären, warum er in jedem dieser Fälle so gehandelt habe und dass dies auch rechtlich in Ordnung sei. Richtig ist aber auch, dass Schmidt den Rahmen, den ihm sein Amt vorgibt, maximal dehnt. "Amtsführung und radikale Forderungen zu verbinden, das ist eine Herausforderung", sagt er. "Aber wir werden immer besser darin."

Schmidt, der aus Köln stammt, hat den Lebenslauf eines klassischen linken Aktivisten: Zivildienst in einer Flüchtlingsunterkunft, Soziologiestudium. Parallel dazu ließ er sich an einem Konservatorium auf der Gitarre ausbilden, was ihm den Spitznamen "Gitarren-Flori" eingebracht hat, den seine Gegner gerne nutzen. Eine andere Bezeichnung stammt von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD), der Schmidt unlängst einen "Mini-Robin-Hood" nannte und damit vor allem auf dessen Engagement in der Wohnungspolitik abzielte.

Schmidt selbst nennt sich in seinem Twitterprofil "Baustadtrat/Aktivist". "Ich bin es nun mal", antwortet er auf die Frage, wie sich beide Sphären miteinander vertrügen. "Wir wollen mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten und schaffen die nötigen Strukturen dafür." So deutet Schmidt auch sein vom Rechnungshof gerügtes Eintreten für die Genossenschaft "Diese eG". Damit sei ein Modell geschaffen worden, mit dem sich die Mieter gegen den Ausverkauf der Stadt wehren könnten. Andere Genossenschaften seien nun nachgezogen.

Dass sich Schmidt trotz aller berechtigten Kritik und trotz massiver Attacken noch hält, liegt auch an Friedrichshain-Kreuzberg. Viele Bewohner des linksalternativen Bezirks stützen Schmidts Politik. Damit erfüllt er eine wichtige Rolle für die Grünen in Berlin, die fest zu ihm stehen. Nur im Wahljahr solle er sich etwas zurückhalten, heißt es nun in der Partei. Selbst Schmidt zeigt sich fast demütig: "Wir folgen den Empfehlungen des Rechnungshofes."

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SZ vom 06.10.2020
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