El Salvador:Wegen angeblicher Abtreibung angeklagte Frau freigesprochen

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Evelyn Hernández lächelt, nachdem sie von der Anklage wegen Abtreibung freigesprochen wurde. (Foto: dpa)
  • In El Salvador ist eine nach einer Fehlgeburt wegen Abtreibung angeklagte Frau vom Vorwurf des Mordes freigesprochen worden. Nach knapp drei Jahren in Haft kommt sie nun frei.
  • Kein anderes Land in Lateinamerika setzt die Abtreibungsbestimmungen so hart um wie El Salvador.
  • Auch der neue Präsident ist Abtreibungsgegner. Dennoch befürwortet er Ausnahmen bei den Abtreibungsgesetzen.

Von Christoph Gurk

An dem Tag, an dem sich ihr Leben für immer verändern sollte, stand Evelyn Beatríz Hernández Cruz früh am Morgen auf. Es war der 6. April 2016, Hernández war gerade einmal 18 Jahre alt. Krankenschwester wollte sie damals werden, nebenbei arbeitete sie als Haushaltshilfe. Sie wohnte gemeinsam mit ihrer Mutter in einem Häuschen in El Carmen, etwa eine Stunde östlich von El Salvadors Hauptstadt. Hernández habe über Bauchschmerzen geklagt, erinnerte sich ihre Mutter später, kurz danach habe sie ihre Tochter auf dem Boden der Latrine hinter dem Haus gefunden, bewusstlos und blutüberströmt. Im Krankenhaus konnten die Ärzte die junge Frau zwar retten, sie riefen aber auch die Polizei. Hernández wies Zeichen einer Geburt auf, allein das Kind fehlte. Die Ärzte vermuteten eine Abtreibung, und diese steht in El Salvador unter strenger Strafe.

Auch wenn Schwangerschaftsabbrüche in fast ganz Lateinamerika verboten sind, setzt kein Land seine Gesetze so rigoros um wie El Salvador. Im Jahr 1998 hat eine konservative Regierung die Bestimmungen zum Schutz ungeborenen Lebens noch einmal verschärft, seitdem sind Abtreibungen auch dann nicht erlaubt, wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist oder Leib und Leben der Mutter bedroht sind. Acht Jahre Haft drohen Frauen, die gegen das Gesetz verstoßen. Oft wird zusätzlich noch ein Mordparagraf angewendet, damit werden Gefängnisstrafen von bis zu 50 Jahren möglich. Die Rechtsprechung verpflichtet zudem Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern, jeden Verdacht zu melden. So kommt es, dass immer wieder Frauen noch im Krankenhaus verhaftet werden.

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Hunderte Verfahren wegen Abtreibung habe es in den letzten 20 Jahren in dem zentralamerikanischen Land gegeben, schätzen Menschenrechtler. In mindestens 150 Fällen wurden Frauen zu teilweise jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt, dabei ist es oft mehr als unsicher, ob die Schwangerschaftsabbrüche wirklich gezielt herbeigeführt wurden oder ob nicht natürliche Ursachen für eine Fehl- oder Totgeburt verantwortlich waren.

Evelyn Hernández sagt, sie habe nicht gewusst, dass sie schwanger war. 2015 sei sie mehrmals vergewaltigt worden, der Täter war Mitglied einer lokalen Gang. Diese Mara-Banden kontrollieren weite Teile El Salvadors und sind der Grund, weshalb Hunderttausende Menschen in die USA geflohen sind. Die Mordrate im Land ist eine der höchsten weltweit, Opfer der Gewalt sind vor allem Frauen. Hernández sagt, aus Angst habe sie den Täter nicht angezeigt. Weil sie immer wieder Blutungen gehabt habe und keine äußeren Anzeichen, habe sie erst im Krankenhaus von der Schwangerschaft erfahren.

In der Latrinengrube fanden Polizisten das Kind. Ob es bereits bei der Geburt tot war, konnten Gerichtsmediziner nicht eindeutig feststellen. Dennoch wurde Hernández 2017 verurteilt. Hätte sie sich während ihrer Schwangerschaft ärztlich untersuchen lassen, so die Staatsanwaltschaft, wäre das Kind noch am Leben. Hernández trat eine 30-jährige Haftstrafe an. Knapp drei Jahre hatte sie davon abgesessen, dann erreichten ihre Anwälte eine Annullierung des Urteils. Bis zum Ende einer neuen Verhandlung durfte Hernández das Gefängnis verlassen, sie ging wieder zur Schule, arbeitete. Auf das neue Urteil wartete das Land gespannt, denn es war das erste unter dem jungen, populistischen Präsidenten Nayib Bukele. Auch er ist ein Abtreibungsgegner, der sich aber für Ausnahmen ausspricht. Er sei gegen eine Verurteilung von "armen Frauen mit spontanen Fehlgeburten", sagt Bukele.

Im Falle von Evelyn Hernández haben sich die Richter nun für Freispruch entschieden. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von 40 Jahren gefordert. "Gott sei Dank, der Gerechtigkeit wurde Genüge getan", rief Hernández nach der Urteilsverkündung. Vielleicht ist das Urteil der erste Schritt zu etwas, was die UN längst gefordert haben: dass El Salvador seine drakonischen Gesetze überarbeitet.

© SZ vom 20.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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