Süddeutsche Zeitung

Profil:Eric Drouet

Lesezeit: 2 min

Der französische Lkw-Fahrer spricht für die Bewegung der "Gilets jaunes".

Von Nadia Pantel

Man sieht Eric Drouet meistens im Führerhaus seines Lastwagens sitzen. Dort filmt er sich mit seinem Handy und erklärt seine Sicht der Dinge im Livestream auf Facebook. Seit dem 17. November interessieren sich Hunderttausende für Drouets Gedanken - der 33-jährige Franzose ist eine der zentralen Figuren der Bewegung der "Gilets jaunes", der Gelbwesten, geworden. Drouet lebt in Melun, einer kleinen Stadt südlich von Paris, mit seiner kleinen Tochter, in seiner Freizeit tunt der Kraftfahrer Automotoren.

Wie viele seiner Freunde regte er sich wahnsinnig über die steigenden Benzinpreise auf und darüber, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für Januar 2019 eine Ökosteuer auf Sprit einführen wollte. Drouet hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen. Ende Oktober rief er auf Facebook dazu auf, am 17. November das "Land zu blockieren". Knapp 300 000 Franzosen setzten das in die Tat um. Seitdem hat sich das Land verändert und auch Drouet. "An den Rücktritt von Macron habe ich am Anfang nicht gedacht, jetzt ist es, denke ich, wirklich die Devise, um weiterzukommen", diesen Satz sendet er aus seinem Führerhäuschen.

Seit die Bewegung der gelben Westen Frankreich erfasst hat, fragen sich Beobachter, wer dahintersteckt. Die Antwort ist kompliziert und einfach zugleich. Es sind Menschen wie Drouet, die einerseits spüren, dass ihre Aktionen eine echte Macht entwickeln, die andererseits nicht als Anführer gelten wollen. Als Drouet gemeinsam mit Priscilla Ludosky, die die Bewegung durch eine Online-Petition mit anschob, zu Umweltminister François de Rugy geladen wurde, filmte er die gesamte Unterhaltung. Zehntausende konnten live auf Facebook zuschauen. Jede Bemerkung, jede Frage von Drouet und Priscilla wurde in Echtzeit kommentiert und bewertet. Die Begegnung wurde von einem Strom aus Herzen, Daumen hoch, zornigen, weinenden und staunenden Smileys begleitet - das sind die Emotionen, die Facebook vorgibt. Das soziale Netzwerk soll Freunde und Kollegen verbinden, die "Gilets jaunes" setzen es als ein Instrument der unmittelbaren Mitbestimmung ein. Die gelbe Bewegung ist nicht nur ein Volksaufstand, sie ist auch eine riesige Übung in Basisdemokratie. Bevor Drouet sich in Fernsehstudios setzt, fragt er seine Hunderttausenden Facebook-Kontakte, welche Positionen ihnen am wichtigsten sind. Er ist nur ein Sprecher, betont er immer wieder, kein Repräsentant. Es ist nicht so, als würde diese junge Bewegung keine Anführer finden. Sie will keine Anführer. Niemand soll sich über die Gruppe stellen. Als Drouet am Mittwochabend in einem Fernsehstudio erklärte, er wolle am Samstag "ins Élysée", wirft ihm die Ministerin Marlène Schiappa vor, Drouet plane einen Putsch. "Habe ich übertrieben?", fragte Drouet danach auf Facebook. Innerhalb weniger Stunden klickten 8000 "Nein". Die Pariser Staatsanwaltschaft teilt diese Einschätzung nicht: Am Freitag nahm sie wegen des Élysée-Kommentars Ermittlungen gegen Drouet auf.

Am Beispiel Drouets lässt sich nachvollziehen, wie sich die gelbe Bewegung in vier Wochen radikalisiert und politisiert hat. An den Straßenblockaden haben viele Menschen verstanden, dass sie mit ihrer Wut nicht allein sind. Auf Facebook, das Sprachrohr, Organisationsplattform und Informationsquelle der Bewegung wurde, mischen sich nun linke Forderungen nach einer Umverteilung des Reichtums mit rechter Anti-Ausländer-Logik. In den Gelbwesten-Foren hat sich eine hysterische Panik vor dem UN-Migrationspakt ausgebreitet, der am Montag unterzeichnet werden soll. Drouet lässt sich live im Stream von seinem Mitstreiter Maxime Nicolle erzählen, dass Macron "Frankreich an die UN verkaufen" werde. Dieser Lüge setzt Drouet nichts entgegen. In Drouets Weltsicht wird Macron am Montag ohnehin nichts mehr unterschreiben: "Ab Samstag entscheiden wir, was passiert" - eine weitere Nachricht aus dem Führerhäuschen.

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Quelle:
SZ vom 08.12.2018
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