Schwierigen Verhandlungspartnern ist Emily Haber in ihrer Karriere oft begegnet. Daran wird sich nichts ändern, wenn die promovierte Historikerin und gelernte Diplomatin im Sommer ihren neuen und mutmaßlich letzten Posten in einer beeindruckenden Laufbahn antritt: als Botschafterin in Washington. Selbst als sich Kanzler Gerhard Schröder (SPD) 2003 gegen den Einmarsch der USA im Irak stellte, funktionierten auf der Arbeitsebene die Kontakte zur Regierung von Präsident George W. Bush weiter. Unter Donald Trump wechseln nun aber die Positionen mitunter täglich, auch der Apparat in Washington wird davon überrumpelt. Dabei geht es darum, einen Handelskrieg abzuwenden oder ein Zerwürfnis zwischen Europa und den USA über den Umgang mit Iran - ein Dossier, das Haber aus früheren Jobs kennt.
Ihren ersten Spitzen-Posten bekam Haber, als der damalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sie 2009 zur Politischen Direktorin im Auswärtigen Amt berief. Sie war die erste Frau in dieser zentralen Funktion. Zuvor war sie schon an den Botschaften in Ankara und Moskau gewesen, leitete in Berlin das OSZE-Referat, war Beauftragte für Konfliktprävention und Krisenmanagement im euro-atlantischen Rahmen und zuletzt Beauftragte für Südosteuropa und die Türkei.
Zu ihren Aufgaben an der Spitze der politischen Abteilung gehörten die zähen Gespräche mit Iran über das umstrittene Atomprogramm. Ihr Gegenüber: Said Dschalili, ein hartleibiger Revolutionsgardist, der die westlichen Emissäre mit gewundenen Vorträgen quälte, dass sie Iran nicht den gebührenden Respekt angesichts seiner Geschichte entgegenbrächten. Haber rollte allenfalls mit den Augen in den langen Pausen, wenn sich Dschalili zum Beten oder mit Kopfschmerzen ins Hotel zurückzog.
Hartnäckig, ruhig, gelassen sind Eigenschaften, mit denen Wegbegleiter Habers berufliches Wirken beschreiben, klug sei sie, aber auch streng, bestimmt, ein politischer Kopf und überdies äußerst loyal. So avancierte sie schnell zur wichtigsten Beraterin Westerwelles, der die 1956 in Bonn geborene Tochter des Diplomaten Dirk Oncken 2011 zur ersten beamteten Staatssekretärin berief. Der Draht zum Kanzleramt war eng; Angela Merkels langjähriger Sicherheitsberater Christoph Heusgen, heute Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, war ihr Tutor in der Ausbildung.
Merkel, so heißt es in Berlin, schätze die parteilose Spitzenbeamtin. Doch als Frank-Walter Steinmeier (SPD) ins Außenministerium zurückkehrte, musste Haber dessen Vertrauten weichen. Sie wurde im Innenressort unter dem CDU-Mann und Merkel-Vertrauten Thomas de Maizière Staatssekretärin. Es sollten die härtesten Jahre werden, nicht nur weil ihr die Führungsriege aus männlichen Juristen auch angesichts eigener Ambitionen skeptisch entgegentrat. Haber selbst tritt ungeachtet ihrer Positionen und ihres Einflusses geradezu provozierend uneitel auf.
Zuständig war sie für Sicherheit und Migration. Für de Maizière wurde sie zur wichtigsten Krisenmanagerin, als 2015 Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Sie leitete Besprechungen nach Anschlägen in Paris oder Berlin, verhandelte mit der Türkei das Flüchtlingsabkommen. Sie arbeitete über die Belastungsgrenzen hinaus und fand Vorwürfe des Staatsversagens ungerecht. Sie war erschöpft, hat sich aber trotz des ständigen Umgangs mit ernsten Themen ihren pointierten Humor bewahrt.
Im Kanzleramt war ihr wichtigster Ansprechpartner in der Flüchtlingskrise Jan Hecker, er leitete den Koordinierungsstab Flüchtlingspolitik. Er ist Merkels neuer Sicherheitsberater, ein Job, für den auch Haber gehandelt wurde. Über beste Kontakte verfügt sie also. Und Washington, wo sie sich in Verhandlungen zu Sicherheitsfragen schon einen Ruf erarbeitet hat, gilt immer noch als die Krönung einer Diplomatenkarriere.