Süddeutsche Zeitung

Profil:Elizabeth Warren

Demokratische Kandidatin mit guten Chancen.

Von Alan Cassidy

Elizabeth Warren springt auf die Bühne und winkt mit ausgestreckten Armen: "Hello Iowa!" Ein Sommerabend in der Kleinstadt Council Bluffs im Mittleren Westen der USA. Ein paar Hundert Leute haben sich in die Halle gedrängt, um die Präsidentschaftskandidatin zu sehen. Sie jubeln, als Warren über die Korruption in Washington schimpft. Sie jubeln, als sie über ihren Plan redet, Millionäre zu besteuern. Besonders laut jubeln sie, als Warren sagt: "Wenn ich erst einmal Präsidentin bin, da ... - hach, ich mag es, wie sich das anhört!"

Die 70-jährige Senatorin aus Massachusetts ist Teil des Trios aus Demokraten, das derzeit die besten Chancen hat, von der Partei zum Gegenkandidaten von US-Präsident Donald Trump gewählt zu werden. Als einzige hat sie in den Umfragen zuletzt stetig zugelegt, sie liegt nur noch hinter Ex-Vizepräsident Joe Biden und etwa gleichauf mit Senator Bernie Sanders.

Dabei hatte für Warren alles nicht sehr gut begonnen. Da war die Idee mit dem DNA-Test, den sie zu Beginn ihres Wahlkampfs veröffentlichte, um zu belegen, dass da in ihrer Familie durchaus mal ein indianischer Vorfahre war, wie sie in früheren Jahren behauptet hatte - eine Episode, an die Trump gern erinnert, indem er sie "Pocahontas" nennt. Da war auch das peinliche Video, in dem sich die einstige Harvard-Professorin an ihre Anhänger wandte, aber erst, nachdem sie sich betont volksnah ein Bier geholt hatte. Und da war die Ankündigung, auf die unter US-Politikern üblichen Spendengalas zu verzichten - eine Entscheidung, die ihren Finanzchef derart schockierte, dass er sogleich sein Büro räumte.

Alles vergessen, so scheint es zumindest. In den vergangenen Monaten gelang es Warren besser als ihren Konkurrenten, Schlagzeilen zu generieren. Sie tat das, indem sie in schwindelerregender Kadenz neue Positionspapiere publizierte, mehr als 30 sind es bereits, und sie lassen fast kein Thema aus. Reichensteuer, Zerschlagung von Tech-Giganten, Schuldenerlass für Studenten, Ausbau des diplomatischen Korps, Ausbau des Rechts auf Abtreibung - Ausbau überall.

Bei ihren Auftritten erzählt Warren ihre Lebensgeschichte und von ihren Rückschlägen. Aufgewachsen ist sie im ländlichen Oklahoma als jüngstes von vier Kindern, der Vater, ein Hausmeister, hatte einen Herzinfarkt, als sie zwölf war. Der Familie drohte wegen der vielen Arztrechnungen der Ruin, fast hätte sie ihr Haus verloren. Später heiratete Warren ihren ersten Mann, wegen seines Jobs mussten sie oft umziehen, sie bekamen zwei Kinder, später folgte die Scheidung. Trotz nicht immer einfacher Lebensumstände gelang Warren später eine glänzende Karriere als Juristin und der Aufstieg zu einer der beliebtesten Politikerinnen der US-Linken.

Bis Mitte der 1990er-Jahre war Warren noch als Wählerin der Republikaner registriert. Ihren Sinneswandel begründet sie heute mit der neuen Aufgabe, die sie damals erhielt. Als Harvard-Professorin wurde sie 1995 in einen von Bill Clinton eingesetzten Ausschuss berufen, der sich mit der Zunahme von Privatkonkursen beschäftigte, eine Entwicklung, die Warren auf lasche Gesetze zurückführte. 2010 wollte ihr Barack Obama die Leitung einer Behörde für Verbraucherschutz übertragen, sah dann aber aufgrund politischen Widerstands davon ab. Warren bewarb sich stattdessen 2012 erfolgreich in Massachusetts für einen Sitz im Senat.

Kann Warren, die Akademikerin vom linken Flügel, die Wahl gewinnen? In vielen Forderungen unterscheidet sie sich nicht stark von Bernie Sanders, dem selbst erklärten Sozialisten, dem viele gegen Trump keine Chance einräumen. In Warrens Team hoffen sie darauf, dass die Kandidatin im Gegensatz zu Sanders als unverbrauchte Botschafterin erscheint, weniger grobschlächtig, weniger laut. Die kommenden Monate werden zeigen, ob das auch eine Mehrheit der demokratischen Vorwähler so sieht.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019
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