Profil:Eduardo Paes

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Rio de Janeiros Bürgermeister, der sich von keiner Katastrophe aus der Fassung bringen lässt. (Foto: N/A)

Der Bürgermeister von Rio bleibt auch bei Katastrophen meist guter Laune.

Von Boris Herrmann

Als Eduardo Paes neulich ein Museum eröffnete, fragte er die geladenen Gäste: "Warum passieren in Rio gerade so viele spannende Dinge?" Die Antwort gab er selbst: "Ist doch klar, weil die Stadt einen Bürgermeister hat, der einzigartig und wunderbar ist . . . und bescheiden." Dann wartete er auf das anschwellende Gelächter. Er wusste, der Scherz würde funktionieren. Er hatte ihn schon öfter gebracht.

Der Politiker Eduardo da Costa Paes, 46, wuchs im wohlhabenden Südstadtviertel Jardim Botânico von Rio de Janeiro auf. Er ist Carioca, wie die Einwohner Rios genannt werden, durch und durch. Mit der Stadt, die er heute repräsentiert, teilt er seine wesentlichen Charakterzüge: Er ist offenherzig und unnahbar zugleich, stolz, laut, großmäulig, widersprüchlich, Ich-fixiert und meist gut gelaunt, egal welche Katastrophe sich gerade ereignet.

Als dieser Tage eine für die Olympischen Spiele errichtete Radwegbrücke einstürzte und zwei Menschen in den Tod riss, sagte Paes: "Das ist sehr traurig für unsere Stadt, aber wir haben so viele schöne Olympiabauten, die wir vorzeigen können." Die Brücke werde selbstverständlich rechtzeitig bis zur Eröffnungsfeier im August wiederaufgebaut.

Paes hat Anfang Januar 2009 das Bürgermeisteramt in Rio de Janeiro übernommen. Zehn Monate später bekam seine Stadt den Zuschlag für die Ausrichtung der Spiele 2016. Vom ersten Tag an ließ er keinerlei Zweifel daran aufkommen, wer der Cheforganisator ist: er selbst. Formell wären zunächst einmal der Vorsitzende des Organisationskomitees, der Sportminister oder auch die Präsidentin der Republik zuständig. Paes aber duldet keine anderen Hauptdarsteller neben sich. Er hat die Leitung des Großprojektes auf dem kleinen Dienstweg an sich gerissen, er eröffnet alle Sportstätten, spricht im Namen der Spiele auf internationalen Veranstaltungen und war natürlich auch bei der Entzündung der Fackel in Griechenland zur Stelle. Seine Laufbahn begann er einst mit Mitte zwanzig als Lokalpolitiker in Rios Trabantenvorstadt Barra da Tijuca. Und es ist wohl kein Zufall, dass dort nun das Herz der Paes-Spiele schlagen wird.

Der Bürgermeister reagiert allergisch auf den Vorwurf, er habe die olympischen Investitionschancen vor allem genutzt, um den Immobilien-Boom in Barra weiter anzuheizen. Sein wichtigstes Vermächtnis soll die Neugestaltung der Hafengegend in Rios altem Zentrum werden. Er habe - bei aller Bescheidenheit - die Stadt damit mehr verändert als alle Bürgermeister seit Pereira Passos, behauptet er. Passos war von 1902 bis 1906 im Amt, als Rio sich in eine moderne Weltstadt nach Pariser Vorbild verwandeln wollte.

Paes ist heute in jedem Fall rund um die Uhr in olympischer Mission im Einsatz. Vermutlich ist er tatsächlich wie kein Zweiter daran interessiert, dass dieses Weltereignis am Ende als Erfolgsgeschichte in Erinnerung bleibt, trotz aller Vorbereitungsschwierigkeiten. Sein Karriereplan hängt davon ab.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Paes nach ganz oben will. Immer wieder wird er als aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2018 genannt - nicht zuletzt aus dem eigenen Umfeld. Er ist weitgehend ideologiefrei und versteht sich darauf, die richtigen Allianzen zur richtigen Zeit zu schmieden. Gerüchte zu Klüngelei und Korruption perlen von ihm ab, als sei er in Wachs gegossen. Das sind Kernkompetenzen, wenn man im politischen Brasilien etwas werden will.

Fünf Mal hat Paes bereits die Partei gewechselt. Bürgermeister von Rio wurde er mit Unterstützung von Ex-Präsident Lula da Silva. Derzeit gehört er der PMDB an, die den Sturz der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff und von Lulas Arbeiterpartei betreibt. Gleichzeitig versucht Paes, dem Eindruck vorzubeugen, er sei ein Mann der konservativen Eliten. Um Volksnähe zu demonstrieren, ist er ab und zu im Taxi unterwegs - nicht als Fahrgast, sondern als Fahrer.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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