Süddeutsche Zeitung

Profil:Dar Salim

Der frühere Flüchtling und Pilot ist nun "Tatort"-Ermittler.

Von Quentin Lichtblau

Auf den ersten Blick ist es eine dieser netten Integrationsgeschichten nach deutschem Gusto: Dar Salim, 1977 in Bagdad geboren und im Alter von einem Jahr mit seinen Eltern aus dem Irak geflohen, als Schauspieler zunächst nur eingesetzt in Gangster-Nebenrollen, kämpft sich nach oben und landet schließlich, als Ermittler integriert, im urdeutschen Sonntagabend-Sedativum "Tatort". Was für eine Chance für einen Aufsteiger!

Die tatsächliche Erzählung ist aber eine andere: Nicht Dar Salim muss dankbar sein, dies müssen vielmehr die Macher des Bremer "Tatorts" sein. Der 42-Jährige ist international nämlich bereits mehr als gefragt.

In seiner Heimat Dänemark, wo er nach mehreren Fluchtstationen mit sieben Jahren ankam, ging er nach der Schule zunächst zum Militär, war Teil der Königlichen Leibgarde und patrouillierte vor Schloss Amalienborg, der Kopenhagener Stadtresidenz der dänischen Königin. Sein nächstes Berufsziel: Pilot. Salim machte eine Ausbildung, die er sich mit Jobs als Koch und Fitnesstrainer finanzierte, flog dann Linienflüge zwischen Afrika und Europa, widmete sich aber gleichzeitig bereits einer anderen Leidenschaft - der Schauspielerei.

Er nahm Unterricht in New York und London und spielte sich danach in der dänischen Serienszene nach oben, unter anderem in der - auch außerhalb Dänemarks - sehr erfolgreichen Serie "Borgen". Als die Rollenangebote zunahmen, gab er die Linienfliegerei auf. Flugzeuge dürfte er seitdem dennoch oft bestiegen haben, da Salims Schauspielkünste sich nicht von Landesgrenzen oder Sprachbarrieren aufhalten lassen.

In der belgisch-niederländischen Produktion "The Devil's Double" spielte er einen Iraker, im britisch-amerikanischen Moses-Bibelfilm "Exodus" von Ridley Scott einen Hauptmann - man kann hier durchaus ein gewisses Faible für binationale Projekte herauslesen. Den meisten Menschen dürfte er allerdings aus der ersten Staffel von "Game of Thrones" bekannt sein, wo er als Testosteron-Blutritter Qotho meist oberkörperfrei durchs Fantasyreich wütet. Seinen Rollen gemein war stets eines: das Böse, was kein Wunder ist, denn wenn sich Salims Stirn in scheinbar metertiefe Wutfalten furcht, dürfte künftig so mancher Bremer Verdächtige zum Geständnis übergehen.

Aber passt seine neue Rolle zu ihm, der Wandel vom Blutritter zum Ermittler in Bremen? Womöglich schon. Dalim spielt einen frisch aus Dänemark in Bremen angekommenen Polizeiangestellten namens Mads Andersen. Und dieser soll auch nicht durchweg rechtschaffen sein, zumindest deutete das Salim in einem Interview an, in dem er seine Rolle als Mischung aus Spiderman und Batman beschrieb - letzterer ist nicht unbedingt für seine Gesetzestreue bekannt. "Tatort"-Erfahrung hat Salim übrigens schon gesammelt: Zwar ist er nicht wie seine Co-Ermittlerinnen Jasna Fritzi Bauer und Luise Wolfram im Tatortland aufgewachsen, seine erste deutschsprachige Rolle bekam er aber genau dort: im Bremer "Tatort" "Brüder" von 2014.

Sein Schauspiel musste er dabei in Teilen einschränken: "Normalerweise lerne ich meinen Text sehr schnell und konzentriere mich dann auf die Situation, die wir in der Szene spielen. Der Text wird in diesem Moment zweitrangig", sagte Salim in einem Interview der ARD. Da er aber kein Deutsch sprach, musste er sich strikt an die auswendig gelernten Sätze halten. Gemerkt hat das keiner, Salim wurde in der Kritik als so authentisch böse bezeichnet, "dass man zwischendurch am liebsten kurz zu Rosamunde Pilcher umschalten möchte, um nicht den Glauben an das Gute zu verlieren", wie es hieß.

Mit seiner Vielseitigkeit und dem Hang zum Düsteren dürfte Dar Salim dem manchmal etwas putzig-lokaltümelnden "Tatort" eine echte Neuerung hinzufügen: eine durch und durch europäische Perspektive.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2019
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