Süddeutsche Zeitung

Profil:Corrado Lorefice

Der Priester der Armen wird neuer Erzbischof von Palermo.

Von Andrea Bachstein

"Einer, der wie Jesus auf der Straße predigt." Solche Sätze über Corrado Lorefice zeigen: Man hat gewisse Erwartungen an ihn. Vor allem ganz oben. Papst Franziskus hat den 53-Jährigen jetzt zum Erzbischof von Palermo ernannt und damit zum Oberhaupt einer Diözese mit 900 000 Menschen, die für die Kirche eine Herausforderung ist. Lorefices Berufung überrascht, er ist ein Außenseiter der Kirchenhierarchie, hat nicht die Karriere gemacht, die sonst zum Amt eines Erzbischofs führt. Er ist zwar promovierter Theologe, hatte es aber nicht zum Bischof gebracht. Zuletzt war er, nicht weit von seinem Geburtsort Ispica, Erzpriester in Modica, einer der fantastischen Barockstädte im Südosten Siziliens, berühmt für ihre Schokoladenkunst.

Dass Franziskus ihm vertraut, folgt genau der Vision, die dieser Papst von seiner Kirche hat. Nah bei den Armen, den Beladenen soll sie sein, mutig und solidarisch. Und klar positioniert gegen die Mafia. Der neue Arcivescovo Lorefice, der die blauen Augen hat, die die Normannen so manchem Sizilianer hinterlassen haben, passt da bestens. Er ist einer, der mit allen redet. In Modica predigte er auch auf der Straße, er sagte der kriminell organisierten Prostitution den Kampf an.

Es war stets Lorefices Leitmotiv, dass die Kirche zu den Armen gehört. In zwei Büchern hat er sich damit befasst. Eines erzählt von Don Pino Puglisi, mit dem er gearbeitet hat und von dem Lorefice sagt, der sei "schuld", dass er nun Erzbischof sei. Don Pino ist Legende, emblematisch für Palermo, wo das Schöne und Schreckliche Siziliens, Reichtum, Armut und Kriminalität geballt aufeinandertreffen. Letztere grassieren im Viertel Brancaccio. Dort kümmerte sich Don Pino um die Ärmsten, und er legte sich mit der Mafia an, die will, dass die Menschen arm und von ihr abhängig bleiben. Der Priester wurde der Cosa Nostra so unbequem, dass sie ihn 1993 ermordete, in der Zeit, als sie auch die Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino tötete.

Don Pinos Erbe lebt, mit einem Sozialzentrum in Brancaccio - und mit dem neuen Erzbischof, auch wenn der nun den Titel "Eccellenza" trägt und den Bischofspalast nahe bei Palermos Kathedrale und dem Normannenpalast bekommt.

Der Leiter von Don Pinos Sozialzentrum sagt über Lorefice: "Er wird mit der Mafia reden wollen wie Padre Pino und sich nicht in seinem Palast einschließen." Die Probleme, die auf den Erzbischof warten, haben sich nicht grundsätzlich geändert. Palermo hat sich mehr herausgeputzt, die Mafia ist etwas zurückgedrängt, aber keineswegs weg. Armut gibt es weiter. Dazugekommen sind die Probleme, die die heute von Migranten wimmelnde Stadt hat. Auf all das ist Erzbischof Lorefice vorbereitet. Die Diözese könne nicht ignorieren, welch dramatische und schmerzhafte Krise an vielen Fronten herrsche, kündigt er im Grußwort an seine Schäfchen an: "Wir werden beitragen zu einer Kultur des Willkommens, der Legalität und des wachsenden Allgemeinwohls."

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SZ vom 29.10.2015
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