Profil:Christoph Ransmayr

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(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Ausgezeichneter Schriftsteller, österreichischer Dörfler und Weltbürger.

Von Karin Janker

"Ich sah" - mit diesen beiden Wörtern beginnt jedes Kapitel in Christoph Ransmayrs "Atlas eines ängstlichen Mannes", einer Art Autobiografie seines Daseins als Weltreisender. Für Ransmayr ist das Reisen eine Lebensform, gesehen hat er viel: Südseeinseln, das arktische Packeis, die Hänge des Himalaja, Brasiliens Urwald, den Mekong. Unterwegs spürt er erzählenswerte Figuren und Begebenheiten auf, Stoffe für seine Romane, in denen er umkreist, was allem innewohnt: die Vergänglichkeit.

An diesem Dienstag erhält Ransmayr im Rahmen des Bayerischen Buchpreises den Ehrenpreis des Ministerpräsidenten. Ransmayr verstehe es, "uns schreibend die Welt zu erschließen", lobt Markus Söder in der Ankündigung, er besitze einen "Blick fürs Große im Kleinen". Söder mag das Werk des österreichischen Schriftstellers zu würdigen wissen, in ihren politischen Anschauungen indes dürften Laudator und Preisträger divergieren. Allein was den Begriff "Heimat" angeht: Für Ransmayr, den Weitgereisten, hat Heimat nichts mit Heimattümelei zu tun, ist sie "keine Spielzeugkiste, in der Idyllen, Weidevieh, Almhütten, Kirchtürme, flatternde Fahnen und anderer nationaler Plunder aufbewahrt werden". Die Nation ist ihm die "jüngste und dümmste Perversion der Horde". Sich selbst attestiert Ransmayr "etwas Wurzelsepphaftes", er könne nicht verleugnen, dass er ein oberösterreichischer Dörfler sei. Selbst sein Fernweh sei letztlich ein geheiltes Heimweh.

1954 in Wels geboren, wuchs Christoph Ransmayr am Traunsee im Salzkammergut auf, "dem letzten, wässrigen Rest eines eiszeitlichen Gletschers". Nach der Matura am Gymnasium eines Benediktinerklosters studierte er in Wien Philosophie und Ethnologie, zwei Disziplinen, die seine Arbeit als Schriftsteller prägen sollten. Er arbeitete als Kulturredakteur für das Wiener Monatsmagazin Extrablatt, als freier Mitarbeiter für die Reisemagazine Geo und Merian, außerdem immer wieder als Chauffeur und Reiseleiter. 1982 erschien sein Debüt "Strahlender Untergang", zwei Jahre später folgte der Roman "Die Schrecken des Eises und der Finsternis", für den die Aufzeichnungen der österreichisch-ungarischen Arktisexpedition von 1872 die Motive lieferten. "Die letzte Welt" (1988), eine Variation über Ovids "Metamorphosen", machte ihn schließlich international bekannt.

Bei aller Faszination für exotische Abenteuer leben Ransmayrs Bücher nicht von ihren Sujets allein. In "Der fliegende Berg" (2006) verarbeitete er die Geschichte seines Freundes, des Bergsteigers Reinhold Messner, dessen Bruder bei einer gemeinsamen Besteigung des Nanga Parbat ums Leben kam. Statt einer Dokumentation der Ereignisse schrieb Ransmayr eine archetypische Brudergeschichte in Form eines Versepos', das - mythisch und der erzählerischen Logik scheinbar zuwiderlaufend - mit dem Tod des Ich-Erzählers beginnt: "Ich starb/ 6840 Meter über dem Meeresspiegel / am vierten Mai im Jahr des Pferdes." Ransmayr erkundet nicht nur fremde Welten, er erforscht immer auch die Möglichkeiten des Erzählens.

Nach langen Jahren als "Halbnomade", wie er sich selbst nannte, lebt Christoph Ransmayr wieder größtenteils in Wien. Den Literaturbetrieb, besonders Buchmessen, meidet er. Ransmayr möchte nicht, dass Verlage seine Bücher für Preise mit Longlists einreichen, weil er nicht "wie der Pudel auf den Knochen" warten will. Zahlreiche Literaturpreise erhielt er auch so, unter anderem jene, die nach Kafka, Böll, Brecht, Fleißer und Fontane benannt sind. Und obwohl er in Interviews selten politisch Stellung bezieht, deutete nicht zuletzt seine Dankesrede für den Fontane-Preis 2014 sein schriftstellerisches Projekt auch als ein politisches, als Gegenentwurf zu Abschottung und Jägerzaunmentalität: Das Schreiben, sagte er, habe in ihm die Überzeugung reifen lassen, "dass es auf dieser Welt nichts, absolut nichts geben konnte, das mich nichts anging".

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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