Profil:Cédric Villani

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(Foto: Federico Pestellini/imago)

Der Mathematiker will Paris regieren. Das ärgert Macron.

Von Nadia Pantel

Man könnte fast glauben, die Pariser wollten alle am liebsten ins Grüne ziehen. In gut einem Monat wählen sie einen neuen Bürgermeister, beziehungsweise eine Bürgermeisterin, und im Wahlkampf überbieten sich die Kandidaten mit grünen Vorschlägen. Der eine will eine Kopie des New Yorker Central Parks in die französische Hauptstadt holen, die nächste träumt von einer Stadt der Fahrradfahrer, und Bäume pflanzen wollen sie alle. Doch nur einer kann behaupten, dass ein Tier nach ihm benannt wurde, eine Spinne: Araniella villanii leuchtet neongrün und spinnt so regelmäßige Netze, dass es aussieht, als habe sie die Abstände zwischen den Fäden genau berechnet. Sie trägt deshalb den Namen eines Mathematikers: Cédric Villani. Der 46-Jährige wurde 2010 mit der Fields-Medaille ausgezeichnet, einer Art Oscar für Mathematiker.

Wirklich berühmt wurde Cédric Villani in Frankreich aber erst, als er 2017 zum Vorzeige-Exzentriker der Macron-Partei La République en Marche (LREM) aufstieg. Und noch einmal berühmter, als er nun Emmanuel Macron den Rücken kehrte und sich aufmachte, um das Pariser Rathaus zu kämpfen.

2017 verkörperte Villani noch die Aufbruchstimmung, die nach der Wahl Macrons zum Präsidenten das Land erfasst zu haben schien. LREM war gerade erst gegründet, doch im Juni 2017 gelang es der Partei, 314 Abgeordnete in die Nationalversammlung zu schicken, die satte Mehrheit. Der Auffälligste unter den Neuen war Villani. Er kombinierte den Look eines Dandys mit der Freundlichkeit eines Menschen, der so wirkt, als sei er nicht von Machthunger getrieben, sondern von Neugier. Zwischen all den Anzugträgern im Parlament erkennt man ihn sofort. Sein Haar trägt er lang, um den Hals bindet er sich eine große Seidenschleife, und auf seinem Revers sitzt immer eine Spinne. Nicht Araniella villanii, sondern wechselnde Gold- oder Silberbroschen, von denen einige Modelle kartoffelgroß sind. Dass Villani intelligent ist, muss man nach seinen Professuren in Paris, Lyon, Atlanta, Berkeley und Princeton niemandem mehr erklären. Stattdessen wird überall herumerzählt, was für ein Teamplayer er sei. Kurzum: Villani ist die Art Politiker, die man sehr ungern ins gegnerische Lager wechseln sieht.

Doch nun, zwei Jahre später, steht Villani nicht mehr für die Strahlkraft Macrons, sondern ist zum Symbol der Zerstrittenheit der Regierungspartei geworden. Denn ausgerechnet in Paris, der Stadt, in der 90 Prozent der Bürger beim zweiten Wahlgang der Präsidentschaft 2017 Macron gewählt haben, tut sich seine Partei schwer, Fuß zu fassen. Die aktuelle Bürgermeisterin Anne Hidalgo, eine der letzten erfolgreichen Sozialistinnen des Landes, führt in den Umfragen. Schlimmer noch: Macrons Kandidat Benjamin Griveaux wurde inzwischen von der konservativen Ex-Justizministerin Rachida Dati überholt. Den Macronisten geht die Hauptstadt verloren. Und Teil dieses Debakels ist Villanis Kandidatur.

Der offizielle Kandidat Griveaux zeichnet sich in erster Linie durch seine große Loyalität gegenüber Macron aus, die Pariser werden nur schwer mit ihm warm. Und während Griveaux sich durch seinen Wahlkampf schleppt, reiht Villani sich nicht hinter ihm ein, sondern hält seine eigene Kandidatur aufrecht. Der parteiinterne Auswahlprozess sei "ungültig" gewesen, so Villani. Das Ende der Freundschaft zwischen LREM und Villani kam Ende Januar. Macron persönlich versuchte Villani zum Aufgeben zu überreden, doch der weigerte sich und wurde daraufhin aus der Partei ausgeschlossen.

Bürgermeister wird Villani laut den Umfragen wohl nicht werden, doch im Kampf um die öffentliche Sympathie hat nicht Villani verloren, sondern LREM. Die Ideen, die er den Parisern vorschlägt, klingen nach dem präpräsidialen Macron: mehr direkte Bürgerbeteiligung, mehr Nicht-Politiker in die Politik, mehr Mut zum Experiment.

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