Süddeutsche Zeitung

Profil:Burghart Klaußner

Der Schauspieler und Thomas-Mann-Stipendiat hängt zwischen den Kontinenten.

Von Karin Janker

Eigentlich sollte Burghart Klaußner an diesem Wochenende schon in Kalifornien logieren, mit Blick auf den Pazifik und als Nachbar von Tom Hanks und Jennifer Garner. Klaußner war als erster Stipendiat ins renovierte Thomas-Mann-Haus geladen, wo er zwei Monate wohnen und arbeiten soll. Doch sein Domizil auf Zeit am San Remo Drive in Pacific Palisades bei Los Angeles ist noch nicht bewohnbar.

Der Schauspieler ist einer von vier ausgewählten Gästen in der 500-Quadratmeter-Villa, in der zehn Jahre lang Thomas und Katia Mann lebten und die die Bundesregierung vor dem Abriss bewahrt hat. Neben ihm kommen noch Jutta Allmendinger, die Chefin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering und Yiannos Manoli, Professor für Mikroelektronik. Eine illustre Intelligenzija.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das Haus vorige Woche feierlich eröffnet; er sprach vom Ringen um Demokratie, das in den Dialogen an diesem historischen Ort seine Fortsetzung erleben soll. Gerade in diesen Zeiten. Das Haus will deutsche Künstler und Intellektuelle mit Kollegen aus den USA zusammenbringen. Klaußner hatte sich gewissenhaft auf die Rolle als Auswahl-Exilant vorbereitet und war mit dem Schiff nach New York gereist, wie einst die Manns.

Und obwohl der Eröffnungsabend laut denen, die dabei waren, durchaus als historischer Moment gelten darf, ist der Start für das Thomas-Mann-Haus nicht hundertprozentig geglückt: Die Bauarbeiten sind noch nicht ganz abgeschlossen. Was für Burghart Klaußner zur Folge hatte, dass er nun erst einmal wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist.

Der 68-jährige Schauspieler, Regisseur und Sänger hat das Ringen, von dem Steinmeier sprach, zum wiederkehrenden Element seiner künstlerischen Arbeit gemacht. Klaußner spielt oft düstere Figuren, verstrickt in innere Kämpfe; selten sind es liebenswerte Charaktere. Er stellt sie so dar, dass er einen dabei etwas über die Abgründe im Menschsein lehrt. Den Vater in Michael Hanekes "Das weiße Band" etwa, der seine Kinder mit maßloser Härte erzieht, um sie gegen das Übel der Welt zu rüsten. So wie Klaußner ihn spielt, nimmt man ihm ab, dass fehlgeleitete Liebe der Grund für seine Grausamkeit ist; zugleich zeigt er, wie diese Haltung in die Schrecken des Nazi-Regimes führte. Doch Klaußner spielt nicht immer dunkle Figuren: Sein Fritz Bauer in Lars Kraumes "Der Staat gegen Fritz Bauer" ist ein Held - wenn auch innerlich zerrissen und von den Zeitgenossen ungeliebt.

Klaußner passt gut in den Tross aus Künstlern und Literaten, mit dem sich der Bundespräsident umgibt. Dessen Idee, den politischen Dialog in der Sphäre der Kunst fortzusetzen, liegt ihm nicht fern. Geboren wurde Klaußner in Berlin, seine Eltern gaben ihre Gaststätte auf, als sie aus der umzäunten Stadt nach Bayern zogen. Der Sohn kehrte später nach Berlin zurück, lernte Schauspiel an der Max-Reinhardt-Schule, hatte dort seine ersten Engagements. Das Theater bezeichnet er nach wie vor als seine Heimat, verglichen dazu sei die Arbeit beim Film, als würde man sich auf einem Stehempfang treffen, sagte er einmal. Das zeigt, dass ihm auch Stehempfänge nicht ganz geheuer sind.

Beim Empfang im Thomas-Mann-Haus sang Klaußner vor den eingeflogenen Gästen den "September Song" von Kurt Weill, mit Klavierbegleitung. "Es ist eine ziemlich lange Zeit von Mai bis September", heißt es in dem Lied. Aufs Warten muss Klaußner sich nun auch einstellen: Wenn das Haus Anfang August beziehbar ist, lässt er erst einmal den anderen Stipendiaten den Vortritt. Klaußner werde wohl 2019 einziehen, sagt Annette Rupp, Geschäftsführerin der Villa Aurora, die auch das Thomas-Mann-Haus leitet. Sein Terminkalender ist voll, im September bringt er seinen ersten Roman heraus. Die Zeit in Kalifornien möchte er dem Vernehmen nach dann gleich für sein zweites Buch nutzen.

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SZ vom 30.06.2018
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