Profil:Armin Capaul

Armin Capaul
(Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Der Schweizer Vorkämpfer für die Hornkühe hofft auf die Stimmen des Volkes.

Von Charlotte Theile

Er ist der bekannteste Bauer der Schweiz. Der Mann, der dafür gesorgt hat, dass das Land seit einigen Wochen über die zwei Hörner diskutiert, die Kühe natürlicherweise auf dem Kopf tragen. Ans Telefon aber geht Armin Capaul, 67 Jahre alt und passionierter Wollmützenträger, in diesen Tagen nicht mehr. "Keine Chance", sagt seine Frau Claudia vergnügt, als sie für ihn antwortet. Armin habe sich entschieden, den Countdown bis zur Abstimmung am Sonntag möglichst ungestört zu verbringen. Für Capaul ist dieser Sonntag das Ende einer aufregenden Reise. Denn nun werden die Schweizer entscheiden, ob sie ihre Verfassung um einen Passus erweitern wollen. Einen Satz, der festschreibt, dass Bauern, die ihren Kühen und Ziegen die Hörner lassen, mit finanzieller Unterstützung rechnen können.

Das klingt skurril. Haben Kuhhörner etwas in einer Verfassung verloren? Und überhaupt: Was ist die Schweiz für ein seltsames Land, dessen Volk auf nationaler Ebene über ein solches Detail abstimmt?

Claudia Capaul lacht wieder. Dann wiederholt sie das, was ihr Mann in den vergangenen Jahren Hunderten Journalisten im In- und Ausland gesagt hat. "Es ging nie darum, die Hörner in die Verfassung zu schreiben." Sie selbst sei anfangs gegen den Vorstoß gewesen. "Sie können sich nicht vorstellen, wie aufwendig eine solche Initiative ist."

Seit mehr als acht Jahren kämpft der Biobauer Capaul, der im Berner Jura einen kleinen Hof mit Kühen, Ziegen und Schafen betreibt, für Landwirte, die sich dafür entscheiden, ihre Tiere nicht zu enthornen. Deren Haltung ist etwas teurer, weshalb sich viele Bauern dafür entscheiden, die Hörner zu entfernen. Doch zunächst konnte der Bauer nichts bewegen. Weder der Bauernverband noch die Politik interessierte sich für sein Anliegen.

Capaul aber kämpfte weiter - und sammelte schließlich im Alleingang mehr als 100 000 Unterschriften. Eine Aufgabe, an der selbst große Komitees scheitern. Doch Capaul ist so überzeugt, dass er viele andere überzeugte. Er glaubt: Kühe mit Hörnern seien stolze, zufriedene Tiere, gäben bessere Milch. Diese Meinung vertritt der Biobauer nicht alleine. Auch in Deutschland gibt es Aktivisten, die Hornmilch verkaufen und auflisten, auf welchen Höfen die Tiere ihre Hörner behalten dürfen. Oft stammen sie aus der biodynamischen Landwirtschaft, vertreiben Lebensmittel unter dem Label Demeter und nehmen Bezug auf den Esoteriklehrer Rudolf Steiner, der in Deutschland vor allem für die Waldorfpädagogik bekannt ist.

Capaul fühlt sich seinen Tieren verbunden. Es seien die Kühe gewesen, die ihm den Auftrag gegeben hätten, sich für ihre Hörner einzusetzen, sagt der 67-Jährige, der den Hof inzwischen weitgehend an seinen Sohn abgegeben hat. Auf vielen Fotos legt Capaul den Arm um eine seiner Hornkühe. Wenn er vom "Enthornen" spricht, bei dem das "durchblutete Organ" abgeschnitten wird und die Hornknospen mit einem heißen Eisen verödet werden, wird er emotional. Viele Bauern nehmen ihm das übel, fühlen sich von dem Alt-68er, der sich bis heute als "Indianer" bezeichnet, als Tierquäler gebrandmarkt. Doch obgleich die Tiere mit Betäubung enthornt werden, hat sich kaum einer getraut, sich Capaul in den Weg zustellen.

Dass die Hornkuh-Initiative am Sonntag trotzdem scheitern könnte, liegt an den pragmatischen Schweizern. Capaul ist ihnen sympathisch, etwas versponnen finden sie ihn aber auch. Zudem befürchten viele zusätzliche Landwirtschaftssubventionen. Umfragen, die zunächst für die Hornkühe sprachen, prophezeien nun eine knappe Niederlage. Doch Claudia Capaul hofft noch. Und selbst wenn ihr Mann verlieren sollte, sei die Sache ein Gewinn. "All die Menschen in den Städten, die kaum wissen, wie eine Kuh aussieht, haben gehört, wie wichtig die Hörner sind. Und dass die Bauern den Tieren wehtun, wenn sie ihnen diese wegnehmen. Das bekommt keiner mehr aus den Köpfen heraus."

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