Profil:Anja Karliczek

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Ministerin ohne Welpenschutz: Binnen weniger Tage wurde sie plötzlich bekannt.

Von Paul Munzinger

"Was macht eigentlich Frau Karliczek?" Diese bissige Frage stellte im August SPD-Chefin Andrea Nahles in einem Zeitungsinterview, und man darf annehmen, dass die Leser ihre Kritik mit zwei unterschiedlichen Reaktionen quittierten. Die einen mit zustimmendem Kopfnicken, die anderen mit einer Gegenfrage: "Wer ist eigentlich Frau Karliczek?" Ein Vierteljahr später lässt sich sagen: Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung, ist es in einer turbulenten Woche gelungen, ihren Bekanntheitsgrad erheblich zu steigern, einen beachtlichen Arbeitsnachweis vorzulegen - und allen, die ihre Berufung für einen Fehler halten, dennoch neue Argumente zu liefern.

Nach quälend langen Verhandlungen konnte die 47-jährige CDU-Politikerin am Freitag den Durchbruch bei einem ihrer wichtigsten Projekte vermelden: beim Digitalpakt, der mit fünf Milliarden Euro die technisch rückständigen Schulen digital aufmöbeln soll. Karliczeks Vorgängerin, Johanna Wanka, hatte das Geld bereits Ende 2016 angekündigt, konnte ihr Versprechen aber nicht einlösen. Karliczek brachte das Abkommen nun ins Ziel, in zähem Ringen mit den Ländern und mit Grünen und FDP im Bundestag. Wäre der Digitalpakt gescheitert, hätte Karliczek ernste Probleme bekommen - nun ist er ihr bislang größter politischer Erfolg.

Ein Erfolg, den sie dringend nötig hat. Als Karliczek im März Ministerin wurde, hatte sie weder Erfahrungen in der Bildungspolitik noch in einem Regierungsamt vorzuweisen. Sie sei eine Proporzkandidatin, hieß es - Frau, Katholikin, aus NRW. Karliczek stammt aus dem Tecklenburger Land, nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau und eine zur Hotelfachfrau, arbeitete im Familienhotel "Teutoburger Wald", absolvierte ein BWL-Studium an der Fernuni, ging in die Kommunalpolitik, zog in den Bundestag ein und mit ihrem Mann drei Söhne groß. Ein Lebenslauf, für den man sich nicht rechtfertigen muss - es sei denn, man wird Bildungsministerin.

Karliczek konterte, sie sei in erster Linie als Managerin gefragt. Geholfen hat ihr das kaum, bis heute wirkt sie wie eine Ministerin auf Bewährung. Anerkennung erhält sie für ihre zugewandte und zupackende Art - das war es meist. Immerhin: Die Liste unerledigter Projekte hat sie zuletzt verkürzen können. Da stehen zwar immer noch dicke Brocken wie der geplante Bildungsrat oder ein neuer Hochschulpakt, aber ein Entwurf für die Bafög-Reform steht - und der Digitalpakt kommt.

Dass Karliczek nun dennoch als "Fettnapf-Ministerin" verspottet wird, hat sie sich selbst eingebrockt. In einem Interview mit dem Sender N-TV bezeichnete sie die Lebensbedingungen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften als "spannende Forschungsfrage" und begründete dies mit dem Verdacht, diese Kinder würden gemobbt. Das Ergebnis: ein Shitstorm. Stellvertretend für viele Kritiker warf ihr der Grünen-Politiker Kai Gehring vor, Familien zu diskreditieren und eine für die Forschungsministerin "hochnotpeinliche" Unkenntnis über das Thema an den Tag zu legen.

Ein paar Tage später sagte Karliczek, Aufreger zwei, der Mobilfunkstandard 5G sei "nicht an jeder Milchkanne erforderlich". Sauer waren diesmal die Bauern, die FDP und auch Parteifreunde aus der CDU. Gerade das Land dürfe von der Digitalisierung nicht abgeschnitten werden. Und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil griff den Gedanken seiner Vorsitzenden auf und schimpfte in der Bild am Sonntag, erst höre man von Karliczek "monatelang gar nichts, dann Dinge, über die man einfach nur noch den Kopf schütteln kann".

Nahles hatte damals gefordert, mit dem "Welpenschutz" für die Ministerin müsse es vorbei sein. Dieser Wunsch ist spätestens jetzt wahr geworden. Umso mehr sollte Karliczek künftig darauf bedacht sein, eigenen Erfolgen nicht selbst das Rampenlicht auszuknipsen. Allzu viele Gelegenheiten bekommt eine Bildungsministerin nicht.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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