Profil:Andrej Babiš

PROFIL SEITE 4 ET 27.6.2018
(Foto: AP)

Tschechiens designierter Ministerpräsident mit lästigen Justiz-Terminen.

Von Florian Hassel

Es war wieder ein unangenehmer Termin bei der Justiz: Gerade erst hatte Andrej Babiš Anfang Juni den Auftrag bekommen, Tschechiens Regierung zu bilden, da musste der designierte Ministerpräsident zum Verhör. Die Prager Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Babiš und dessen Familie wegen des Verdachts auf millionenschweren Subventionsbetrug. Dies ist der Grund, warum Tschechien auch acht Monate nach der jüngsten Wahl noch keine belastbare Regierung hat.

Andrej Babiš hat im gut zehn Millionen Einwohner starken Tschechien Bemerkenswertes geschafft: Aus Chemie-, Landwirtschafts- oder Medienunternehmen baute er den Agrofert-Konzern auf, der ihn auch dank lukrativer Regierungsaufträge zum Milliardär machte. Trotzdem verstand es der 63-Jährige selbst noch als Finanzminister der vorigen Regierung, sich den Tschechen gegenüber als einen der Ihren darzustellen; als angeblichen Außenseiter, der für einfache Bürger gegen die korrumpierte Prager Elite kämpfen werde. Mit seinen populistischen Botschaften brachte Babiš seinen Wahlverein Ano bei der Parlamentswahl im vergangenen Oktober mit knapp 30 Prozent der Stimmen als Wahlsieger ins Ziel.

Eigentlich hätte er sich danach den Koalitionspartner aussuchen können - wäre da nicht das "Storchennest": ein Hotel- und Kongresskomplex außerhalb von Prag. Für den sicherten sich Babiš und andere Familienmitglieder 2008 umgerechnet mehr als zwei Millionen Euro EU-Subventionen - unrechtmäßig, so das Fazit der EU-Antibetrugsbehörde Olaf. Babiš und seine Familie gliederten die Firma, die das "Storchennest" baute, über Tarnfirmen aus dem Konzern aus, bis die ausschließlich für Klein- und Mittelunternehmer vorgesehenen Fördermillionen der EU eingetroffen waren. Danach wurde die Firma wieder Teil des milliardenschweren Mutterkonzerns. Olaf empfahl den Tschechen 2017, gegen Babiš und Familie wegen Betrugsverdachts zu ermitteln. Die Folge: das Verhör am 7. Juni. Kommt es zur Anklage und wird Babiš schuldig gesprochen, muss er mit bis zu zehn Jahren Gefängnis rechnen.

Eigentlich wollte keine andere Partei mit Babiš regieren, bis die Vorwürfe geklärt sind - und so amtierte er zunächst nur als geschäftsführender Ministerpräsident ohne Parlamentsmehrheit. Dann aber fielen die Sozialdemokraten um. In der Regierung, die diesen Mittwoch vereidigt werden soll, bekommen sie fünf Ministerien, darunter das Innen- und das Außenministerium. Ob der Sozialdemokrat Miroslav Poche tatsächlich Außenminister wird, ist offen: Der Präsident findet ihn zu flüchtlingsfreundlich; die Kommunisten teilen diese Meinung - und ohne ihre Unterstützung kann die neue Regierung die folgende Vertrauensabstimmung nicht überstehen. Im 200 Sitze starken Parlament haben Babiš' Ano-Partei und die Sozialdemokraten zusammen nur 93 Abgeordnete. Sie brauchen zumindest die Duldung von 15 Kommunisten.

Öffentlich stellt sich Andrej Babiš weiter als verfolgte Unschuld dar. Der slowakischen Stasi-Behörde UPN zufolge war der Kommunist Babiš in tschechoslowakischer Zeit Spitzel des Geheimdienstes. Babiš' Klage gegen diese Einordnung lehnte der Oberste Gerichtshof der Slowakei Ende Mai ab. Jetzt klagt Tschechiens künftiger Regierungschef vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte; auch die Betrugsermittlung im Fall "Storchennest" nennt er "politisch motiviert". Kritiker befürchten, dass eine neue Justizministerin von Babiš' Gnaden Druck ausüben soll, um seine Verurteilung in der Affäre zu verhindern. Obwohl nur kommissarisch im Amt, habe Babiš viele Leitungsposten in Ministerien und Staatsfirmen neu besetzt, kritisiert das Prager Büro von Transparency International.

Nur noch ein Drittel der - Politikern gegenüber notorisch misstrauischen - Tschechen vertraut Babiš. Die sonst so hart gescholtene EU dagegen kommt auf 44 Prozent.

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