Profil:Amit Shah

Wichtigster Getreuer von Indiens Premier im Kaschmir-Konflikt.

Von Arne Perras

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(Foto: Manish Swarup/AP)

Als im Mai die Sieger der indischen Wahlen ausgerufen wurden, sah man zwei bärtige Männer, umjubelt von den Massen der Hindunationalisten. Die beiden reckten ihre Arme und machten das Victory-Zeichen. Ihre Posen waren so genau aufeinander abgestimmt, dass jeder Synchronschwimmer sie darum beneiden musste. Der eine war Premier Narendra Modi, der sich eine zweite Amtszeit sicherte; der andere sein treuer Gefährte und Wahlkampfstratege: Amit Shah.

Der 54-jährige Shah war Modis wichtigster Mann, um Stimmen zu fangen. Zum Dank wurde er Innenminister. Der bullig wirkende Shah gilt auch im politischen Geschehen als äußerst robust, womöglich ist das noch untertrieben angesichts des Kurses, den der Minister in der Krisenzone Kaschmir eingeschlagen hat. Mit einem Streich hat Shah autonome Sonderrechte des strategisch bedeutsamen Gebietes ausgehebelt, Rechtsexperten sind entsetzt, es wird Verfassungsklagen geben, doch die Anhänger Shahs sind begeistert.

Der Innenminister boxt gerade ein fragwürdiges Wahlversprechen der Hindunationalisten durch: Kaschmir soll nach deren Willen stärker in den indischen Staat "integriert" werden, das klingt euphemistisch angesichts des Militäraufgebots, das Unruhen im mehrheitlich muslimisch bevölkerten Kaschmir unterdrücken soll. Shah weiß, wie stark der Drang nach Eigenständigkeit in den Bergen ist, er kennt die blutige Geschichte. Drei Kriege haben die Atommächte Indien und Pakistan um das Gebiet geführt. Dennoch tut Shah nun so, als könne Delhi mit möglichst viel Druck den kaschmirischen Knoten einfach aufsprengen. Drohende Proteste gegen die politische Zwangsjacke namens "Eingliederung" versucht er durch rabiate Mittel zu unterbinden: Telefone und Internet sind abgeschaltet, es herrscht eine Ausgangssperre, lokale Führer wurden verhaftet. Ausländische Journalisten dürfen vorerst nicht hinein. Unterdessen preist Delhi den Entzug der Autonomie als Heilmittel gegen Separatismus und Terror, was Kritiker für eine Farce halten.

Shah ist nicht nur Vollstrecker, sondern treibende Kraft der Politik, sie passt ins Bild eines Machiavellisten, der unbeirrt daran arbeitet, die Macht der Hindunationalisten auszuweiten und deren national-religiöse Ideologie - die Dominanz der Hindus - tief zu verankern. Ohne Shah, der es versteht, populistische Reflexe zu bedienen und eine Parteimaschine zu lenken, ließe sich der Aufstieg des Premiers kaum erklären. Schon als Modi Gujarat regierte, konnte er auf seinen Gefährten als Minister zählen. In jener Zeit gab es aber auch Momente, in denen Shahs Karriere beinahe beendet schien. 2010 kam er drei Monate in Haft, Ermittler warfen ihm vor, in die Ermordung eines Gangsters verwickelt gewesen zu sein. Weil es an Beweisen mangelte, wurde er freigesprochen.

Shah, verheiratet und Vater eines Sohnes, entstammt einer Unternehmerfamilie, er wurde in Mumbai geboren, studierte Biochemie, arbeitete später als Broker. Schon früh begeisterte er sich - wie sein Vertrauter Modi - für den RSS, jene rechte Hindu-Kaderorganisation, die religiösen Minderheiten Angst einflößt. Shah ist immer wieder mit hetzerischen Tönen aufgefallen, illegale Einwanderer im Osten Indiens schmähte er als "Termiten", was vor allem auf Muslime gemünzt war.

In den kommenden Tagen will Shah nach Kaschmir aufbrechen, es ist das einzige große Gebiet Indiens, wo mehrheitlich Muslime leben. Nun aber hat der Innenminister den Weg für alle Inder geöffnet, in Kaschmir Land zu kaufen, was zuvor nie möglich war. Er riskiert damit, radikale Kräfte zu stärken, schon vorher empfanden viele Kaschmirer Delhi als Besatzungsmacht, die Entfremdung dürfte noch zunehmen. Doch der Innenminister hat so sein Image als "Mr. Tough" aufpoliert. Wer in Indien dieser Tage als starker Mann auftrumpft, muss um die Gunst der Massen nicht bangen.

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