Profil:Aminata Touré

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(Foto: Carsten Rehder)

Junge, grüne Spitzenpolitikerin im Kieler Landtag mit Wurzeln in Mali.

Von Thomas Hahn

Als Erstes dachte Aminata Touré an ihre Themen. Würde sie im Kieler Parlament noch unbelastet für Frauen und Geflüchtete streiten können, wenn sie das neutrale Amt der Landtagsvizepräsidentin annehmen würde, das ihre grüne Fraktion an sie herantrug? Sie hat dann abgewogen und entschieden, dass sie die repräsentativen Pflichten als eine von drei Stellvertreterinnen des Landtagspräsidenten Klaus Schlie (CDU) mit ihrem politischen Kampf vereinbaren kann. Also willigte Aminata Touré ein, die Nachfolgerin ihres Fraktionskollegen Rasmus Andresen zu werden, der ins Europaparlament wechselt. Vorbehaltlich der Abstimmung im Plenum nach der Sommerpause steigt "das Deern aus Mali" (Selbstauskunft) zu einer der leitenden Parlamentarierinnen Schleswig-Holsteins auf. Mit 26.

Laut Lübecker Nachrichten sieht Aminata Touré in der neuen Aufgabe einen "weiteren Schritt, Politik nach außen zu tragen". Aber diese Beförderung bedeutet viel mehr. Sie ist ein Symbol für die fortschreitende Vielfaltsgesellschaft und ein Signal, das Minderheiten Hoffnung geben kann. Denn Aminata Touré steht für eine Gruppierung im Land, die im parlamentarischen Betrieb noch kaum vertreten ist. Sie ist die erste afrodeutsche Landtagsabgeordnete Schleswig-Holsteins. Sie hat Erfahrungen, die nur wenige Politiker und Politikerinnen haben. Aufgewachsen ist sie in der Flüchtlingsunterkunft von Neumünster-Faldera, nachdem ihre Eltern 1992 aus den politischen Wirren Malis geflohen waren. Deutsche wurde sie erst 2004, obwohl sie bis dahin nie in der Heimat ihrer Eltern gewesen war. Sie hat Abitur, einen Bachelor-Abschluss in Politik, eine Referenz als wissenschaftliche Mitarbeiterin der grünen Bundestagsabgeordneten Luise Amtsberg - und ist bis heute dem deutschen Alltagsrassismus ausgesetzt. Touré spricht für alles Fremde, das im modernen Deutschland längst nicht mehr fremd sein sollte.

Seit Juni 2017 sitzt sie als Abgeordnete des Kreises Plön und der kreisfreien Stadt Neumünster im Landtag. Sie fällt dort schon wegen ihrer Erscheinung auf: groß gewachsen, lange Rastalocken. In ihren Reden setzt sie sich konsequent für Menschenrechte und Integration ein. Vor allem zeigt sie, wie man gleichzeitig bekennende Grüne und loyale Vertreterin der Kieler Jamaika-Koalition sein kann. "Sie ist eine kluge Frau, die weiß, dass man in der Gesellschaft was erreicht, wenn man Kompromisse schließt", sagt die grüne Fraktionschefin Eka von Kalben.

Für Aminata Touré kann das nicht immer einfach sein, wenn man zum Beispiel bedenkt, dass der schwarz-gelb-grüne Koalitionsvertrag eine Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt vorsieht. Es kracht auch mal zwischen ihr, der streitbaren Feministin, und den Herren von CDU und FDP. Aber am Ende bewahrt sie die Bündnisdisziplin. Allenfalls wirft sie der Opposition vor, nicht zu fordern, was sie als freie Grüne wohl selbst fordern würde. Etwa die Abschaffung der Abschiebehaft im Bund. "Warum machen Sie das nicht?", schimpfte sie im Februar Richtung SPD, "Sie sind nicht in einer Koalition. Sie können Maximalforderungen stellen."

Der Glaube in die eigenen Möglichkeiten hat sie geprägt. Als sie sich Anfang 2017 bei den Grünen für die Landtagskandidatur bewarb, erzählte sie in ihrer Rede: "Meine Mutter hat uns immer gesagt, es gibt nichts, was wir nicht können, und es gibt nichts, was uns davon abbringen darf, an uns selbst zu glauben." In die Politik ging sie, weil Barack Obama, der erste schwarze US-Präsident, sie mit seiner Yes-we-can-Haltung inspirierte.

Erst kürzlich hat sie Obama treffen können. Es war beim Berliner Townhall Meeting. Aminata Touré durfte seine Rede anmoderieren. Davor gab es eine kurze Chance zum Austausch. Später berichtete sie den Kieler Nachrichten, dass sie ihn gefragt habe, wie man Wunsch und Realpolitik zusammenbringe. Durch Kompromisse, sagte Obama. Aminata Touré konnte sich bestätigt fühlen.

© SZ vom 11.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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