Pro E-Scooter:Kleine Revolution

Was neu ist, weckt erst einmal Misstrauen und das übliche Anfangsfremdeln. Dabei könnte der Elektroroller ein Auftakt zu einer dringend nötigen Verkehrswende sein. Was es nun in den Städten braucht, ist Geduld - und auch etwas Gelassenheit.

Von Laura Hertreiter

Romane machen hysterisch, Eisenbahnen krank, Fernsehen süchtig: Die Geschichte zeigt, dass der Mensch vor seinen eigenen Erfindungen oft erst einmal erschrickt. Selbst, wenn sie ganz respektabel sind. Eine solche Erfindung ist der E-Scooter. Nicht nur, weil er Menschen platz-, zeit- und energiesparend von einem Ort zum anderen bringt, nicht nur, weil lautloses Durch-die-Stadt-Gleiten ein Vergnügen ist, sondern vor allem: Weil der Elektroroller ein Auftakt zu einer dringend nötigen Verkehrswende sein kann. Und weil in Umweltfragen jeder Tag zählt, ist es wichtig, das übliche Anfangsgefremdel jetzt mal beiseitezuschieben.

In Zeiten, in denen endlich über Kohlendioxid- und Lärmbelastungen diskutiert, um Dieselfahrverbote gerungen wird, ist der E-Scooter eine Möglichkeit, Innenstädte zu entlasten, eine Möglichkeit, Autofahrer von Zapfsäulen zu entwöhnen. Und ein Vorgeschmack auf ein anderes Mobilitätskonzept, da Autos in Innenstädten ökologisch und platzmäßig nun mal keinen Sinn machen. Dafür sind allerdings zwei Dinge nötig: Zeit und Gelassenheit. Zeit, damit sich alle an die vor nur zwei Monaten auf deutschen Straßen zugelassenen Scooter gewöhnen können. Und Gelassenheit, um weiterdenken zu können, wenn sich Probleme auftun.

Aber was neu ist, weckt Misstrauen. Verfolgt man Berichte über E-Scooter, könnte man meinen, es kracht überall, und wenn es irgendwo nicht kracht, dann, weil dort die beiseitegeworfenen Teufelsgefährte den Verkehr lahmgelegt haben. Verfolgt man den Großstadtverkehr an einem Sommerabend, zum Beispiel in München, kracht es jedoch keinesfalls überall. Natürlich: Alle paar Schritte steht jetzt ein E-Scooter, genauso wie alle paar Schritte ein Fahrrad steht. Oder ein Mensch. Und hin und wieder gleitet ein Mensch auf einem E-Scooter vorbei. Eine Frau mit Yogamatte, ein Anzugträger, ein Tätowierter in Badehose. Lautlos, was den E-Scootern oft als heimtückisch angekreidet wird, bei Rädern selbstverständlich ist, und für die Ohren sogar recht angenehm. Klar, jede neue Technologie muss mit Sorgfalt eingeführt werden, im Zweifel muss man nachjustieren. So auch diesmal: Die Städte müssen sich Gedanken machen über Abstellorte und erlaubte Geschwindigkeiten, gerade an potenziellen Unfallstellen. Die Menschen müssen das Fahren einüben, die anderen Verkehrsteilnehmer müssen sich an die Scooter gewöhnen. (Was man ihnen zutrauen darf, das hat bei Fahrradanhängern, E-Bikes oder Liegerädern auch geklappt.)

Neue Ideen erfordern neues Nachdenken. Das Dagegensein ist der einfachste Weg. Er führt aber nirgendwo hin. Wie weit andere Wege führen können, kann man in Berlin sehen. Weil die Scooter dort zunächst viele Gehwege zuparkten, beschloss die Stadt, Parkzonen einzurichten. An den Bereichen um Kreuzungen und Einmündungen, die oft von Autos zugeparkt werden. Und auf bisherigen Autoparkplätzen. Das bedeutet: weniger Platz für Autos, weniger Emissionen, sauberere Luft. Das ist verkehrspolitisch eine kleine Revolution.

Und es zeigt, welche Wege sich auftun können, wenn an die Stelle des Fremdelns ein Nachdenken tritt über Chancen, die im ersten Moment noch gar nicht erkennbar sind. Womöglich auch zwei Monate nach der Zulassung noch nicht.

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