Pressestimmen zum EU-Afrika-Gipfel:"Schöne Worte, Taten müssen erst folgen"

Europäische Zeitungen blicken hinter die europäisch-afrikanische Partnerschaftsrhetorik - und betonen, welche Eigeninteressen die Staaten verfolgen.

Die niederländische Zeitung Trouw kritisiert die Anwesenheit umstrittener afrikanischer Regierungschefs beim EU-Afrika-Gipfel in Lissabon: "Da saßen die führenden europäischen Politiker - außer denen aus Großbritannien und Tschechien - am selben Tisch wie Robert Mugabe, dem Diktator von Simbabwe, der durch Misswirtschaft und politische Unterdrückung aus seinem Land ein schwarzes Loch gemacht hat. (...)

Auch der sudanesische Präsident Omar al-Baschir war dabei, mitverantwortlich für die Verbrechen in Darfur und jemand, der die Stationierung einer UN-Friedenstruppe behindert. Die EU ließ den Gipfel stattfinden, weil sie fürchtet, in Afrika Einfluss zu verlieren, vor allem an China. Aber indem sie Mugabe und al-Baschir die Ehre zuteil werden ließ, höhlte sie ihre eigenen Prinzipien aus.

Natürlich kann die EU nicht alleine die Lage in Russland, Simbabwe oder Darfur ändern. Aber das muss nicht bedeuten, dass sie ihre eigenen begrenzten Machtmittel wie Sanktionen lächerlich macht, indem sie sie bei Bedarf beiseite schiebt. Dadurch verliert die EU jede Glaubwürdigkeit bei ihren Versuchen, im Rest der Welt Demokratie und Menschenrechte zu stärken."

Nach Ansicht des Tages-Anzeigers aus Zürich muss sich eine neue afrikanisch-europäische Beziehung erst in der Praxis beweisen: "Um im Rennen zu bleiben, bieten die ehemaligen Kolonialmächte Afrika nun eine neue Partnerschaft an. Sie soll auf Gleichberechtigung beruhen, auf Offenheit und Transparenz. Eine gemeinsame Strategie, Probleme, die beide Kontinente betreffen, zusammen anzupacken. Es sind schöne Worte - Taten müssen ihnen erst noch folgen.

Afrika, das hat sich in Lissabon gezeigt, bekennt sich zwar zu guter Regierungsführung und Achtung der Menschenrechte, lehnt Kritik von außen aber als arrogante Einmischung ab. Und Europa verwechselt in Wirtschaftsfragen seine Eigeninteressen noch immer mit dem Wohl seiner afrikanischen Partner. Und so bleibt der pragmatische neue Geist der europäisch-afrikanischen Beziehungen, der in Lissabon beschworen wurde, vorläufig hoffnungsvolle politische Rhetorik."

Das Luxemburger Worts stellt fest, dass die EU ein wohlverstandes Eigeninteresse an der Entwicklung Afrikas hat: "Das neuerwachte Interesse Europas an Afrika (kommt) nicht von ungefähr. Treibende Kraft ist handfestes politisches und wirtschaftliches Interesse am schwarzen Kontinent als Absatzmarkt sowie als Rohstoff- und Energielieferant vor dem Hintergrund neuer Konkurrenz anderer Akteure wie China. Das Gleichgewicht hat sich zugunsten Afrikas verschoben, das nicht länger nur Bittsteller ist.

Damit bietet sich jetzt dem bis heute ärmsten Erdteil die Chance, sich zu entwickeln und seinen Bewohnern ein menschenwürdiges Dasein zu bieten. Langfristig wird Afrika sich jedoch nur aus seiner Misere befreien, wenn es auch politische Reformen gibt, d. h. seine Eliten, Eigenverantwortung übernehmen und Demokratie und Menschenrechte zulassen und respektieren. Das braucht Zeit, aber Europa kann aus wohlverstandenem Eigeninteresse dabei helfen."

Die Neue Zürcher Zeitung hält einen differenziertere Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten für notwendig: "Die europäisch-afrikanische Partnerschaftsrhetorik verleitet dazu, über die faktischen Ungleichheiten zwischen den beiden Kontinenten, aber auch und vor allem über jene innerhalb Afrikas selber hinwegzusehen.

Theoretisch haben die Rohstoffproduzenten unter den afrikanischen Ländern die größten Chancen, auf dem Weg zur Ebenbürtigkeit mit Europa voranzukommen; faktisch aber sind es oft gerade sie, die am meisten an selbstverschuldeter Instabilität leiden und am Dauertropf der Entwicklungshilfe hängen. Afrika steckt voller Ungleichheiten. Selbst wenn die Afrikanische Union heute als Sprecherin für den ganzen Kontinent auftritt, ist es noch lange keine ausgemachte Sache, dass die europäische Politik gegenüber Afrika auf eine länder- und regionalspezifische Ausrichtung verzichten kann."

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