Süddeutsche Zeitung

Presseschau zur US-Wahl:"Die Amerikaner haben genug von den Spielchen"

Von Furcht vor einer völligen Blockade und "noch fieserer Politik" bis hin zu Hoffnung auf Besserung: Der Ausgang der Zwischenwahlen findet in der amerikanischen Presse ein geteiltes Echo.

Die Kommentatoren amerikanischer Tageszeitungen sind geteilter Meinung über den Ausgang der Zwischenwahlen. Die einen fürchten eine Blockade von Präsident Barack Obamas Politik durch das republikanische Abgeordnetenhaus, andere sehen Grund zur Hoffnung.

"Guten Tag. Wir wurden verhauen." So, findet die Washington Post, sollte US-Präsident Barack Obama seine erste Rede nach der schweren Niederlage seiner Demokraten bei den Kongresswahlen beginnen. Es sei nun wichtig, schreibt die Zeitung, dass Obama seine Erfolge selbstbewusst verteidigt: Die Konjunkturhilfe, die eine zweite große Depression verhindert habe, die Reform der Krankenversicherung, die Finanzmarktregulierung.

Zugleich aber müsse der Präsident Fehler eingestehen und den Bürgern signalisieren, dass er ihren Denkzettel verstanden hat. Es sei nun an der Zeit, alles dafür zu tun, die "unakzeptabel hohe Arbeitslosigkeit" zu bekämpfen. Außerdem müsse der Präsident etwas gegen die hohe Staatsverschuldung unternehmen.

Wie viele andere amerikanische Zeitungen auch, dringt die Washington Post darauf, dass Demokraten und Republikaner diese Aufgaben gemeinsam angehen. Die beiden Parteien müssten die Zeit der gegenseitigen Beschimpfungen hinter sich lassen und endlich für das Wohl Amerikas zusammenarbeiten. "Es ist an der Zeit, damit aufzuhören, über die andere Partei zu reden, und anzufangen, mit ihr zu reden", diktiert die Zeitung Präsident Obama in sein fiktives Redemanuskript.

Als mögliche gemeinsame Projekte nennt die Post eine Ausbildungsreform oder eine neue Finanzierungsgrundlage für die Sozialversicherung. Vorhaben wie neue Gesetze zum Klimaschutz oder die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo, die Obama vor seiner Wahl versprochen hatte, finden sich in der Aufzählung nicht.

Die Los Angeles Times findet den Ausgang der Wahlen "wenig überraschend". Seit Jahrzehnten schon würden beliebte Präsidenten zur Halbzeit ihrer ersten Amtszeit abgestraft, wenn das Pendel der öffentlichen Meinung zurückschwinge. In diesem Jahr allerdings komme noch etwas anderes hinzu: "Der Abstieg von dem hoffnungsfrohen Zeitgeist, der noch bei den Präsidentschaftswahlen 2008 herrschte, zu der Wut und der Empörung des Jahres 2010."

Von dieser Veränderung hätten die Republikaner stark profitiert. Nun erwachse aus ihren Wahlerfolgen aber eine neue Verantwortung: "Die Verantwortung zu regieren und nicht nur alles abzulehnen". Dafür müssten die Republikaner sich kompromissbereit zeigen und einige ihrer radikalen Positionen aufgeben.

Die New York Times befürchtet allerdings, dass "der Politikbetrieb in Washington noch fieser" wird. Die Zeitung erinnert an die Worte des designierten Sprechers des Repräsentantenhauses, John Boehner, der vor einigen Tagen ankündigte, wie er mit Obamas Vorhaben umzugehen gedenke: "Wir werden alles tun, um sie zu töten, zu stoppen, zu verlangsamen."

Die New York Times fühlt sich dadurch an das Jahr 1994 erinnert, als Bill Clinton zwei Jahre nach seiner Wahl ebenfalls herbe Verluste bei den Kongresswahlen hinnehmen musste. Damals hätten die Republikaner einen völligen Stillstand der Regierung bewirkt. Das allerdings sei ihnen nicht gut bekommen, denn: "Die Amerikaner haben genug von diesen Spielchen."

Ähnlich sieht es die renommierte Autorin Maureen Dowd in ihrer Kolumne für die New York Times: "Es war ein Schock, mitanzusehen, wie die Wähler einen brillanten und faszinierenden jungen Präsidenten demütigen, indem sie einen Haufen konservativer Verrückter wählten." Für die kommenden Jahre sieht Dowd nur eine Hoffnung: "Gott helfe unserer Republik."

Die konservative Zeitung USA Today hingegen sieht Chancen, dass der Ausgang der Wahlen der amerikanischen Politik eine Wende zum Besseren geben könnte. "Die Tea Party ist als ernstzunehmende Kraft in die Politik eingezogen", schreibt sei. Nun müsse die Tea Party aus der Wut ihrer Unterstützer ein politisches Programm destillieren. Sie habe die Möglichkeit, den Kongress zu einem ernsten Vorgehen gegen die horrende Verschuldung der USA zu bewegen. "Viel zu lange haben die Abgeordneten harte Entscheidungen in der Steuerpolitik und bei den Ausgaben gescheut und stattdessen den Ausweg der Verschuldung gewählt."

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