Süddeutsche Zeitung

Presseschau:Wie türkische Medien über die Panama Papers berichten

Je nach politischer Ausrichtung werden Namen genannt - oder unterschlagen. Einige kritische Berichte wurden bereits von staatlicher Seite gesperrt.

Von Hakan Tanriverdi und Deniz Aykanat

Wo ist eigentlich die AKP in den Panama Papers? Danach wurde in sozialen Netzwerken und regierungskritischen Medien in der Türkei vor allem gefragt, als im April das Leak und seine Folgen weltweit Thema waren: Sind Mitglieder der regierenden Partei AKP dabei? Vielleicht gar enge Vertraute oder Verwandte von Präsident Recep Tayyip Erdoğan?

Nach den jüngsten Cumhuriyet-Enthüllungen sind es nun vor allem die unabhängigen Medien, die sich zu Wort melden. Sie nennen Präsident Erdoğan im Zusammenhang mit den Panama Papers meist schon sehr früh in ihren Artikeln. Erdoğan selbst taucht in den Papieren nicht auf, wohl aber Geschäftsmänner, die ihm nahestehen. Sie werden mit Spitznamen oder Zitaten eingeführt - die jeweils als Beleg dafür dienen sollen, wie eng die Verbindung zwischen ihnen ist.

Der Juwelier Cihan Kamer wird beispielsweise als "Goldjunge" von Erdoğan bezeichnet: "Wo Herr Recep ist, da bin ich auch", zitiert ihn die Cumhuriyet. Der Unternehmer Fettah Tamince wird stets mit einem Satz erwähnt, den er einmal über Erdoğan gesagt und der ihm bei Regierungskritikern viel Spott eingetragen hat: "Als ich ihn kennengelernt habe, habe ich mich in ihn verliebt."

Kommentatoren der Zeitung "Yeni Şafak" witterten eine Verschwörung

Zeitungen, die der AKP-Regierung eher nahestehen, versuchten schon im April und Mai, mögliche Panama-Enthüllungen zu diskreditieren. So machten sie sich über die Opposition lustig, die mit "gebrochenem Herz" daran verzweifle, dass kein AKP-Politiker in den Dokumenten namentlich auftauche. Kommentatoren der Zeitung Yeni Şafak witterten eine Verschwörung: Die Enthüllungen seien ein Komplott, in das die Geheimdienste der USA, Großbritanniens und Deutschlands "auf irgendeine Art verwickelt" seien. Man solle sich darauf vorbereiten, dass auch die Türkei in dieses Machtspiel hineingezogen werde, warnte ein Yeni Şafak-Autor.

Nun, da Cumhuriyet die Offshore-Aktivitäten türkischer Geschäftsleute publik macht, bleiben diese Medien allerdings weitgehend stumm. Regierungskritische Webseiten wie Diken und T24 haben indes mehrere Artikel veröffentlicht, samt der Namen aller Unternehmer; auch eine der auflagenstärksten Zeitungen der Türkei, die kemalistische Sözcü, hat das Thema groß aufgegriffen.

Türkische Journalisten und Blogger berichten, dass der Zugang zu einigen dieser Artikel kurz darauf blockiert wurde - allerdings nur selektiv und manchmal auch nur für kurze Zeit. Internet-Sperren sind keine Seltenheit in der Türkei: Immer wieder werden Nachrichtenseiten mit unerwünschter Berichterstattung gesperrt, oft wird dies mit diffusen Sicherheitserwägungen begründet. Nach Terroranschlägen, wie etwa dem verheerenden Attentat am Atatürk-Flughafen mit mehr als 40 Toten, werden Nachrichtensperren verhängt, die vom Obersten Rundfunk- und Fernsehrat der Türkei per richterlicher Anordnung erzwungen werden. Auch deshalb informieren sich immer mehr Menschen in der Türkei über Kanäle wie Twitter, Facebook und Blogs.

Leser kritisierten das Massenblatt "Hürriyet"

Mit besonderem Interesse stürzten sich viele Leser und User auf den Namen Albayrak; es handelt sich um Energieminister Berat Albayrak, den Schwiegersohn des Präsidenten, dessen Name sich allerdings nicht in den Panama Papers findet. Eine vor 2003 gegründete Firma der Çalık-Holding, deren Vorstandschef Albayrak erst ab 2007 war, wird in den Dokumenten erwähnt - eine Verbindung besteht insofern nur sehr indirekt. Das kleine linksgerichtete Blatt BirGün machte im Mai daraus dennoch eine Schlagzeile auf ihrer Titelseite - und wurde per Gerichtsbescheid zu einer Richtigstellung aufgefordert.

In sozialen Netzwerken beschwerten sich Leser massiv über das Massenblatt Hürriyet, weil es den Namen seiner Vorstandsvorsitzenden Vuslat Doğan Sabancı unterschlug, deren Name sich ebenfalls in den Panama Papers findet. Hürriyet gehört zur Doğan-Holding, ein Konzern, mit dem sich die AKP-Regierung jahrelang einen Machtkampf lieferte. Vuslat Doğan Sabancı ist die Tochter des Firmengründers. Hürriyet gilt als eher regierungskritisch, im vergangenen Jahr wurde das Istanbuler Redaktionsgebäude von einem wütenden Mob von Erdoğan-Anhängern angegriffen.

Der Manager der Leser-Community bei Hürriyet versuchte, der Kritik entgegenzuwirken: Er verwies darauf, dass die Zeitung nur allgemein berichtet habe, dass sich türkische Staatsbürger und Firmen in den Panama Papers finden. Die Entscheidung, die Namen - und damit auch den von Vuslat Doğan Sabancı - nicht zu nennen, sei eine "Entscheidung der Herausgeber" gewesen. Die Zeitung erklärte außerdem, dass es nicht illegal für türkische Staatsbürger sei, ein Offshore-Konto zu eröffnen.

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SZ vom 05.07.2016/dayk
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