Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die neuerlichen Verhaftungen von Journalisten in der Türkei als in "höchstem Maße alarmierend" bezeichnet und den Betroffenen Solidarität zugesagt. Zugleich drohte sie Ankara indirekt mit Auswirkungen auf die EU-Beitrittsverhandlungen. "Die Journalisten können sich unserer Solidarität gewiss sein. Genau wie all diejenigen, die in der Türkei unter erschwerten Bedingungen für Presse- und Meinungsfreiheit eintreten", sagte Merkel in Berlin.
Der frühere Chefredakteur der Cumhuriyet, Can Dündar, hatte die ursprüngliche Stellungnahme der Bundesregierung auf die Verhaftungen in der Türkei kritisiert. "Die Reaktion der deutschen Regierung war wirklich schwach. Auch im Vergleich mit anderen westlichen Partnern der Türkei, wie etwa der Reaktion der USA", sagte Dündar der Zeitung Die Welt. "Berlin hat die Verhaftungen nicht einmal verurteilt. Besorgt sein hilft uns türkischen Journalisten nicht." Von den europäischen Regierungen erwarte er sich ein klares Signal für die Demokratie in der Türkei. "Seit Jahren sind die Europäer dauernd besorgt. Aber das ändert nichts", sagte Dündar, der im Exil in Deutschland lebt.
Die Behörden hatten am Montag 13 Mitarbeiter, darunter auch Cumhuriyet-Chefredakteur Murat Sabuncu, wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Organisation festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft der Zeitung vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Bewegung des Predigers Fetullah Gülen unterstützt zu haben. Die Redaktion wies diese Vorwürfe entschieden zurück und kritisierte die Festnahmen als rechtswidrig.
Die Bundesregierung werde den Fall weiter sehr aufmerksam beobachten, sagte Merkels Sprecher Steffen Seibert in Berlin. "Wir haben großen Zweifel daran, ob das Vorgehen gegen den Chefredakteur Murat Sabuncu und seine Kollegen rechtsstaatlichen Prinzipien entspricht." Der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, habe deshalb auch am Dienstag die Cumhuriyet-Redaktion besucht. Die Presse- und Wissenschaftsfreiheit seien beides zentrale Voraussetzungen eines demokratischen Rechtsstaates. Diese Haltung würden Kanzlerin Merkel und die gesamte Bundesregierung auch in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei weiter vertreten.