Pressefreiheit 2006:Bolivien vor Deutschland

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen spricht von einer alarmierenden "Aushöhlung der Pressefreiheit" in den USA, Frankreich und Japan. Deutschland rutschte auf der Rangliste ab - dank BND und Otto Schily.

Am schwierigsten ist die Situation für Journalisten der weltweiten Rangliste zur Pressefreiheit zufolge in Nordkorea, Turkmenistan und dem Schlusslicht Eritrea. Dort sei Pressefreiheit ein Fremdwort, erklärten die Reporter ohne Grenzen (ROG).

Russland belegt den 147. Platz unter den 166 Ländern. Der Erfassungszeitraum endete im August, noch vor dem Mord an der kritischen Journalistin Anna Politkowskaja.

Die Bundesrepublik fiel nach der Cicero- und der BND-Affäre in der Liste vom 18. auf den 23. Platz zurück - hinter Staaten wie Bolivien, Bosnien-Herzegowina und Trinidad und Tobago.

In Deutschland war ans Licht gekommen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) über Jahre hinweg Journalisten illegal überwachte. Beim Magazin Cicero gab es Redaktions- und Hausdurchsuchungen, ein Verfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat wurde inzwischen eingestellt.

Für den BKA-Einsatz im September 2005 in den Redaktionsräumen des Magazins soll der damalige Innenminister Otto Schily verantwortlich gewesen sein.

Japan kräftig abgerutscht

"Der Zugang zu Daten ist - trotz Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes - zum Teil immer noch erschwert", heißt es zur Situation in Deutschland.

Die USA rutschten gegenüber dem Vorjahr um neun Plätze ab und belegten den 53. Rang. "Die Beziehungen zwischen den Medien und der Bush-Administration haben sich massiv verschlechtert, seitdem dem Präsidenten jeder Journalist verdächtig erscheint, der den "Anti-Terror-Krieg" kritisch hinterfragt", so ROG. In mindestens 17 US-Bundesstaaten werde der Quellenschutz abgelehnt.

In Frankreich (Rang 35) hätten Redaktions- und Hausdurchsuchungen zugenommen. In Japan bedrohten zunehmender Nationalismus und das System der exklusiven Presseclubs die demokratischen Standards. Das Land fiel um 14 Plätze auf Rang 51 der Liste, die zum fünften Mal erstellt wurde.

China unter den "größten Feinden der Pressefreiheit"

Bei den "größten Feinden der Pressefreiheit" habe sich kaum etwas geändert, stellt Reporter ohne Grenzen fest. "Journalisten in Nordkorea, Eritrea, Turkmenistan, Kuba, Myanmar und China riskieren für unabhängige Recherchen und Berichte noch immer massive Drohungen, Schikanen und langjährige Haftstrafen, manchmal sogar ihr Leben."

An der Spitze der Rangliste stehen nach wie vor nordeuropäische Länder wie Finnland, Irland, Island und die Niederlande, die sich den ersten Platz teilen. Dänemark verlor den Spitzenplatz nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen im Herbst 2005.

Autoren wie Journalisten wurden bedroht und mussten Polizeischutz beantragen - "in einem Land, das für die Achtung von Bürgerrechten bekannt ist". Positive Trends gab es auch: Haiti und Mauretanien hätten etwas an Boden gewonnen. Bolivien und Bosnien-Herzegowina konnten sich unter den ersten 20 Ländern platzieren. Bewertet wurden Daten zu 50 Fragen aus den 166 Ländern.

ROG erstellt die Rangliste anhand eines Punktesystems. Je mehr Einschränkungen und Verletzungen der Pressefreiheit aus einem Land bekannt wurden, desto mehr Zähler erhielt es. Das heisst: Je weniger Punkte, desto besser der Listenplatz.

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