Premierminister Shinzo Abe:Der japanische Trump

Japanese Prime Minister Abe Campaigns Ahead Of The Upper House Election

Shinzo Abe ist im Volk unbeliebt – doch seine Parteigänger werden die Wahl am Sonntag wohl gewinnen.

(Foto: Tomohiro Ohsumi/Getty Images)
  • Die Japaner wählen an diesem Sonntag ein neues Oberhaus. Die Partei von Premier Abe könnte die Wahl zusammen mit ihrem Koalitionspartner gewinnen.
  • Abe spaltet die Japaner, fast die Hälfte der Bevölkerung lehnt ihn und sein Kabinett ab.
  • Die Opposition ist aber zersplittert und verfügt im ländlichen Raum kaum über Strukturen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Japans Parteien müssen Frauen und Männer für Wahlen in etwa gleicher Zahl nominieren. Dazu werden sie von einem neuen Gesetz verpflichtet, das für die Oberhauswahlen am kommenden Sonntag erstmals gilt. Die Oppositionsparteien befolgen das mit 42 bis 48 Prozent Frauenanteil. Premier Shinzo Abes Liberaldemokraten (LDP) dagegen ignorieren ihr eigenes Gesetz, sie stellen nur 14 Prozent Frauen auf.

Abe verspricht den Japanerinnen immer wieder mehr Gleichberechtigung, unternommen hat er wenig. Auch viele andere seiner angeblichen Prioritäten sind nach sechs Jahren Regierung nur Absichtserklärungen. Vom Wirtschaftswachstum, das seine Statistiker ausweisen, merken die meisten Japaner nichts. Die Börse hat angezogen, die großen Unternehmen machen Rekordgewinne, aber die Löhne stagnieren, die Renten wurden gekürzt. Selbst manche von Abes rechtskonservativen Zielen finden nur auf dem Papier Niederschlag. Gegen große Widerstände hat er erreicht, dass Japans Armee - trotz Pazifismusgebot der Verfassung - jenseits ihrer UN-Missionen Auslandseinsätze leisten darf. Zugleich hat er jedoch die UN-Einsätze auf ein Minimum reduziert. Kritiker sagen, Abe gehe es nicht um Japan, sondern darum, möglichst lange an der Macht zu bleiben.

Abe spaltet die Japaner, 44 Prozent lehnen ihn und sein Kabinett ab. Vor allem in den Städten ist er nicht populär, seine Politik ist es auch nicht. Dennoch dürften die LDP und ihr Koalitionspartner Komeito am Sonntag die Oberhauswahlen gewinnen, zumal Apathie und der Zynismus der Wähler eine schlechte Wahlbeteiligung erwarten lassen.

Als Steve Bannon Tokio besuchte, lobte er, Abe sei ein "Trump vor Trump". Der Ideologe des US-Präsidenten nannte Japans Premier den "Pionier und Helden der globalen Nationalismus-Bewegung". Statt "Make America great again" rief Abe schon 2013 "Japan ist zurück". Abe zeigt ähnliche Reflexe wie Trump. Auch Abe verachtet die Medien und versucht, die Demokratie auszuhöhlen. Seit Anfang Juli führt er einen Handelskrieg - wie Trump aus politischen Motiven: gegen Südkorea. Jenseits des Konflikts setzt er sich allerdings für den freien Welthandel ein.

Wo sind die Alternativen zu Abe?

Viele Japaner seufzen, es gebe halt keine Alternative. Die Opposition ist zersplittert, und Abe vermeidet es, ihr die vom Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten zu geben, ihn zu kritisieren und sich damit zu profilieren. Die Fragestunde im Parlament, vor allem in der Budgetkommission, wo früher Regierungsskandale aufgerollt wurden, hat er auf das absolute Minimum reduziert. Seine Günstlingswirtschaft und mehrere Affären seiner Minister sind deshalb nie aufgeklärt worden. Er hat ein Geheimnisgesetz eingeführt, das es Beamten erlaubt, ohne parlamentarische Kontrolle fast jeden Vorgang als geheim zu stempeln. Whistleblower bedroht dieses Gesetz mit Gefängnis. Nach Einschätzung des UN-Berichterstatters für Menschenrechte David Kaye "ist die Pressefreiheit in Japan ernsthaft bedroht".

Japans führende Medien sind zahm, Abe lädt ihre Chefredakteure regelmäßig zum Essen ein. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist unter Abe zum Staatsfunk geworden, der politisch heikle Themen meidet. Unabhängige Medien haben keinen Zugang zu den choreografierten Pressekonferenzen der Regierung. Der UN-Berichterstatter Kaye hob den Fall einer Reporterin von Tokyo Shimbun hervor, die in Regierungs-Briefings wegen kritischer Fragen regelmäßig schikaniert worden sei.

Die LDP führt Abe mit harter Hand. Er hat die Partei auf Linie gebracht, die Japan mit zwei kurzen Unterbrechungen seit 1955 regiert. Die Opposition war auch früher schon schwach und zersplittert. In der Provinz verfügt sie kaum über Strukturen. Die LDP ist dort beinahe ein Synonym für Politik. Sie ist mit dem örtlichen Gewerbe verbandelt, vor allem mit der Bauwirtschaft. Diese garantiert ihr Stimmen, was sie dann mit Aufträgen vergilt.

Früher jedoch war die LDP wenigstens in ihrem Inneren pluralistisch; sie war eine Partei, in der sich Rechtsnationale, Neoliberale, Marktwirtschaftler und sogar Sozialdemokraten die Macht teilten. Wenn es in Japan schon kaum Parteienpluralismus gab, so doch LDP-Untergruppen, die sich in einem parteiinternen Wettbewerb um politische Beschlüsse und Ämter stritten. Damit garantierten sie Japan ein gewisses Maß an Demokratie. LDP-Kabinette waren innerparteiliche Koalitionsregierungen. Diese alte LDP gibt es aber nicht mehr, Abe hat die Untergruppen entmachtet. Kaum ein LDP-Politiker wagt es noch, sich offen gegen ihn zu stellen.

Der Präsident der LDP wird, solange die Partei über die Mehrheit verfügt, automatisch auch Regierungschef. Gewählt wird er zur Hälfte von den LDP-Abgeordneten im Parlament, die restlichen Stimmen gehören den Regionen. Früher nominierten die Sektionen ihre Kandidaten fürs Parlament autonom. Abe jedoch hat die Kontrolle über die Nominierungen an sich gerissen. Er nickt jeden Kandidaten selber ab. Das bedeutet, dass er die Hälfte jener Leute auswählt, die ihn dann zum LDP-Präsidenten wählen sollen - und die für ihr politisches Überleben von Abe abhängig sind.

Bis vor einem Jahr beschränkte die LDP die Amtszeit ihres Präsidenten auf zwei Amtsperioden von je drei Jahren. Abe hat diese Beschränkung vorerst auf drei Amtszeiten verlängern lassen, um an der Macht bleiben zu können. Japan habe damit an Stabilität gewonnen, so rechtfertigen seine Anhänger diese Machtkonzentration. Genutzt hat Abe diese bisher jedoch nicht, jedenfalls nicht für die tief greifenden Reformen von denen er immer wieder spricht.

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