Anfang Juli war es, Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft und der Gewerkschaften ins schöne Schloss Meseberg bei Berlin geladen - zum "Zukunftsgespräch". Es ging um den Wandel in der Arbeitswelt, und irgendwann klagten die Arbeitnehmer, es sei doch nicht richtig, dass heutzutage die jungen Leute nach Ausbildung und Studium immer öfter befristete Verträge bekämen und Angst haben müssten, nach einem, zwei oder drei Jahren wieder auf der Straße zu stehen. Ja, sagte die Kanzlerin, für diese Sorge habe sie Verständnis. Man müsse aufpassen, dass die Zahl solcher Zeitverträge nicht dauerhaft zunehme.
Doch ausgerechnet die Bundesministerien und die ihnen nachgeordneten Behörden bieten Berufseinsteigern in einem Ausmaß Zeitverträge an, das, bedenkt man die Worte der Kanzlerin, erstaunlich ist. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. So wurden im Jahr 2012 in den 13 Bundesministerien (das Verteidigungsministerium blieb bei der Erhebung außen vor) insgesamt 525 Frauen und Männer eingestellt, 390 von ihnen lediglich mit einem Zeitvertrag - das sind 74 Prozent. Von den 3328 neuen Beschäftigungsverhältnissen, die bei den nachgeordneten Behörden abgeschlossen wurden, waren sogar 78 Prozent befristet.
Nun kann man entschuldigend einwenden, dass im öffentlichen Dienst generell Berufsstarter in Zeitverträge gedrängt werden. Den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge bekommen dort nicht einmal 30 Prozent der Neueinsteiger sofort eine feste Stelle; in der Industrie dagegen haben sechs von zehn jungen Arbeitnehmern sofort einen unbefristeten Vertrag, bei Uni-Absolventen gar neun von zehn.
Die Regierung kämpft für den Fortbestand der Generation Praktikum
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke will jedoch nicht akzeptieren, dass die Bundesministerien dem öffentlichen Dienst mit schlechtem Beispiel vorangehen: "Die Ministerien haben eine Vorbildfunktion", sagt sie, es sei "ein Skandal", dass nur eine Minderheit der neu Eingestellten "ein sicheres Arbeitsverhältnis und damit eine solide Basis für ihre Familien- und Lebensplanung" hätten. Die Regierung werde "der Schutzfunktion für die eigenen Beschäftigten nicht gerecht".
Da kann man ein bisschen Wahlkampfpathos abziehen, die Zahlen aber kommen nun einmal von der Bundesregierung selber. Sie belegen auch, dass der Bund und seine Behörden wegen dieser Arbeitsverträge häufig vor Gericht stehen. Zwischen 2005 und 2013 gab es dort insgesamt 315 Arbeitsgerichtsverfahren, bei 220 ging es um die Entfristungen von Arbeitsverträgen, acht landeten gar vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt.
Die Regierung kämpft bis zur letzten Instanz dafür, die Generation Praktikum nicht aussterben zu lassen, könnte man zugespitzt sagen. Allerdings scheint auch in den obersten Behörden des Landes das Bewusstsein zu wachsen, dass dieser Eindruck nicht gut ist: 2013 liegt der Anteil der befristeten Verträge in den Ministerien bei 62 Prozent, bei den nachgeordneten Behörden bei 49 Prozent. Eine deutliche Verbesserung - aber das Jahr ist noch nicht zu Ende.