Prantls Blick:Warum die Sozis Merz als Merkel-Nachfolger wählen würden

CDU Merz Regionalkonferenz

Friedrich Merz bei seiner Rede bei der CDU-Regionalkonferenz in Lübeck.

(Foto: dpa)

An dem selbsternannten Mittelschichtler können sich die Sozialdemokraten viel stärker reiben als an Kramp-Karrenbauer. Das verhilft ihnen womöglich zu neuen Prozenten.

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Sie erinnern sich vielleicht an diese alte Fernsehwerbung für ein Schmerzmittel des Alltags: Man sieht eine Frau an der Kasse einer Tankstelle, die beim Zahlen über ihr Kopfweh stöhnt und klagt. Der Tankwart darauf: "Kopfschmerzen? Da hab ich was für Sie!" Und dann tönt die sonore Reklamestimme aus dem Off: "Wir wissen nicht, was dieser freundliche Tankwart empfiehlt. Wir empfehlen bei Kopfschmerzen - Togal". Bei Rheuma und sonstigen Gebrechen funktionierte das genauso. Bisweilen war es nicht ein freundlicher Tankwart, sondern ein prominenter Schauspieler oder eine berühmte Opernsängerin, die ihre unbekannt bleibenden Ratschläge abgaben. Aber auch da befriedigte jeweils die vertrauensvolle Stimme aus dem Off die beim Zuschauer erwachte Neugier: Wir wissen nicht was XYZ empfiehlt. "Wir empfehlen bei Rheuma - Togal."

Neue CDU-Spitze: Das große Schaulaufen

Nähern wir uns nun mit dieser Methode, die wir Togal-Methode nennen wollen, der Antwort auf die Frage, wer neuer CDU-Chef oder neue CDU-Chefin wird. Am kommenden Dienstag stellen sich die einschlägigen Kandidaten in Mainz vor, es folgen weitere Vorstellungsrunden in Seebach, in Halle an der Saale, in Böblingen, Düsseldorf und Bremen. In Lübeck hat am vergangen Donnerstag schon, viel beachtet, viel analysiert und viel diskutiert, so ein Termin stattgefunden. Die letzte Runde des Schaulaufens steht dann am letzten Novembertag, einem Freitag, in Berlin auf dem Plan.

Sieben Tage später ist, auf dem CDU-Parteitag in Hamburg, die Wahl des Merkel-Nachfolgers oder der Merkel-Nachfolgerin - die zwischen Friedrich Merz, dem aus der Finanzindustrie zurückgekehrten früheren Fraktionschef der Union im Bundestag, und Annegret Kramp-Karrenbauer entschieden wird, der früheren saarländischen Ministerpräsidentin und jetzigen CDU-Generalsekretärin. Der Dritte in der Runde, der junge, ehrgeizige und populistenfreundliche Gesundheitsminister Jens Spahn, hat keine Chance. Seine Kandidatur dient der eigenen Profilierung und (man darf das so sagen, weil er aus dem katholischen Münsterland kommt) der Verschönerung der Maiandacht.

Nostalgisches Faszinosum

Wer wird von den rund tausend CDU-Delegierten des Parteitags gewählt werden? Selbst gute Kenner der Partei, die Christdemokratologen von Innen und Außen, trauen sich eine klare Vorhersage nicht zu. Ich tippe auf Annegret Kramp-Karrenbauer - weil sie die CDU von heute verkörpert und Merz eher die CDU von gestern.

Aber es geht ja bei dieser Wahl nicht um das Gestern und Heute, sondern um das Morgen. Auch da lautet die naheliegende Antwort, dass für die Zukunft eine Frau von heute geeigneter ist als ein Mann von gestern. Nun ist freilich das Heute der CDU nicht so glänzend und die Vergangenheit der Partei (die freilich nicht nur die Vergangenheit des Friedrich Merz, sondern auch die Vergangenheit der Angela Merkel ist) viel glänzender an Prozentpunkten. Es könnte aber schon sein, dass sich daraus ein nostalgisches Faszinosum entwickelt, das Friedrich Merz zu einem Vorsprung verhilft - auch wenn sich sein Name nicht so prägnant und sympathisch verkürzeln lässt wie der von Annegret Kramp-Karrenbauer, genannt AKK.

Im Off sitzt die SPD

In so einer unklaren Situation empfiehlt sich, wie gesagt, die Togal-Methode. Weil wir nicht wissen, was und wen die Delegierten zur Bekämpfung von Kopfschmerz und Rheuma der CDU empfehlen - hören wir doch auf die Stimme aus dem Off. Im Off sitzt die SPD. Und was empfiehlt das Off?

Nicht AKK. Sie wäre eine CDU-Chefin, mit der sich die SPD einigermaßen schwer täte. Sie macht eine sehr soziale Politik, sie ist einst wegen Heiner Geißler in die CDU eingetreten - steht also im politischen Kerngeschäft für eine Linie, an der sich die SPD nicht groß reiben kann. AKK ist eine Sozialpolitikerin mit Herz und Verstand. Ganz anders Friedrich Merz: sozialpolitisches Gefühl gehört nicht zu den Eigenschaften, die ihm nachgesagt werden. Er gilt als kühler Rechner, als schneidiger Ökonom, als ein in der Wolle gefärbter Neoliberaler, als einer, der für alles steht, was einen gestandenen Sozialdemokraten aufregt.

Merz, der Wunschgegner der SPD

Könnten sich die Sozialdemokraten einen Wunschgegner schnitzen - er würde so aussehen wie Friedrich Merz. Nicht nur wegen seiner nun fast zehn Jahre in der Finanzindustrie und wegen seiner Tätigkeit für Blackrock, einer gigantisch-globalen Firma, die viel Antipathie auf sich zieht. Merz war auch schon vor seinem Langzeit-Ausflug in die geschäftlichen Milliardensphären und das private Millioneneinkommen ein vielbeschäftigter Geschäftsmann, dem seine Geschäfte wichtiger waren als seine Abgeordnetentätigkeit.

Ich habe dazu beim Blättern in meinem Archiv einen SZ-Leitartikel aus dem Jahr 2006 gefunden, in dem Friedrich Merz (damals war er noch CDU-Abgeordneter) eine wichtige Rolle spielt. Mein Leitartikel von damals handelt davon, ob ein Abgeordneter Nebengeschäfte betreiben darf und wenn ja, wie viele. Dort, in diesem Text vom 21. Juli 2006, heißt es:

"Im Parlament ist es schick geworden, so viele Hüte aufzusetzen, wie Adenauer einst Doktorhüte gesammelt hat. Zum Beispiel so: Friedrich Merz, Vorsitzender des Konzernbeirats der AXA Konzern AG; Mitglied des Aufsichtsrats der AXA Versicherung AG; des Verwaltungsrats der BASF AG; des Beirates der Commerzbank AG; des Aufsichtsrats der Deutsche Börse AG; des Aufsichtsrats der Interseroh AG zur Verwertung von Sekundärrohstoffen; des Beirats der Möller&Förster KG, Baumärkte - Baustoffe; des Beirates der Odewald & Compagnie, Gesellschaft für Beteiligungen mbH; des Aufsichtsrats der Rockwool Beteiligungs GmbH; des Beirats derWirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young AG; Rechtsanwalt in der Anwaltssozietät Mayer, Brown, Rowe & Maw LLP."

So war das noch zur Abgeordneten-Zeit von Merz, in der Zeit freilich, in der er schon von Merkel als Fraktionschef abgesägt worden war.

Ein Kopf und viele Hüte

Nun kann einer, wenn er geschickt ist, zwar zwei, fünf oder fünfzehn Hüte aufsetzen und man darf ihm dann zu diesem Geschick gratulieren - aber auch der beste Abgeordnete hat nur einen Kopf. "Wenn er diesen vermietet" (so habe ich damals geschrieben, und das gilt grundsätzlich und immer, nicht nur für den damaligen Abgeordneten Merz), "ist er kein Volksvertreter mehr, auch wenn er im Handbuch des Bundestages als solcher verzeichnet ist." Merz gehörte übrigens damals zu den Abgeordneten, die sich gegen die vorgeschriebene Veröffentlichung ihrer "Nebeneinkünfte" (wie es das neue Abgeordnetengesetz verlangt) mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wehrte; das war natürlich sein gutes Recht. Karlsruhe hat die Klage verworfen.

Warum die SPD den Friedrich Merz wählen würde, liegt also auf der Hand. Merz könnte, nach dem Kalkül der arg geschrumpften SPD, für fünf Prozent mehr bei der SPD gut sein. In der Not greift die SPD auch zu Merz.

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