Prantls Blick:Der Printjournalismus ist lebendig

Tageszeitungen

Der Printjournalismus bleibt lebendig, auch wenn immer wieder einige Tageszeitungen verschwinden.

(Foto: dpa)

Die "taz" will nicht mehr als gedruckte Tageszeitung erscheinen. Von der Zukunft des Printjournalismus - gut, sehr gut oder bescheiden?

Die politische Wochenvorschau von Heribert Prantl

Jeden Sonntag beschäftigt sich Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion und Ressortleiter Meinung der SZ, mit einem Thema, das in der kommenden Woche - und manchmal auch darüber hinaus - relevant ist. Hier können Sie "Prantls Blick" auch als wöchentlichen Newsletter bestellen - exklusiv mit seinen persönlichen Leseempfehlungen.

Vor 150 Jahren, im Jahr 1868, schloss die US-Armee in Fort Laramie den ersten Friedensvertrag mit den Sioux-Indianern; die US-Regierung hat diesen Vertrag nie eingehalten. Man lernt also beim Blick in die Geschichte, dass es nicht erst eine Spezialität der Regierung Trump ist, Verträge nicht einzuhalten. Dass ich mich mit dem Jahr 1868 beschäftige, hat einen ganz bestimmten Grund: Nicht nur die Technische Universität München und die Betreibergesellschaft der Neuen Zürcher Zeitung sind in diesem Jahr gegründet worden, sondern auch die Amberger Volkszeitung; es ist dies die Zeitung meiner oberpfälzischen Heimat. Vor kurzem durfte ich dort die Festrede zum 150. Jubiläum halten. Lassen Sie mich also heute im Newsletter (zumal immer wieder der gedruckten Zeitung zu Unrecht eine schlechte Prognose gestellt wird) über die Zukunft der Tageszeitung nachdenken - über die Zukunft der großen und der kleinen Zeitungen, über die Zukunft der Zeitungen, die man auf Papier, und über die, "die man auf dem Smartphone liest".

Die bleiernen Zeiten

Die Amberger Zeitung, die soeben 150. Jubiläum hatte, gehört zum Medienhaus Der Neue Tag in Weiden. Als ich ein 23-jähriger Student der Rechtswissenschaft, der Geschichte und der Philosophie war, habe ich dort ein journalistisches Praktikum gemacht - und bekam einen Schreibtisch in der Bayern-Redaktion zugewiesen; dort saß als tat- und schreibkräftiger Redakteur ein junger Mann namens German Vogelsang. Er wurde einer meiner journalistischen Lehrer - und später Verleger der Zeitungsgruppe Der Neue Tag.

An dem Tag, an dem ich im Jahr 1976 mein Praktikum antrat, war gerade ein neuer Oberbürgermeister gewählt worden, es herrschte daher Hektik in der Redaktion, Zeitungs-Sonderausgaben wurden produziert. Es waren noch die bleiernen Zeiten des Journalismus, die Zeitung wurde in Blei gesetzt und ich durfte mit den bleiernen Lettern hantieren. Gute zehn Wochen blieb ich als journalistischer Praktikant in der Redaktion; Hans Schröpf, der Neugewählte, blieb 31 Jahre Oberbürgermeister in der Stadt.

Die digitalen Zeiten

In diesen Jahrzehnten hat sich die Zeitung völlig verändert, die bleischweren Zeiten gingen zu Ende. Ganze Berufe, hochangesehene Berufe verschwanden; die Berufe der Setzer und Metteure beispielsweise; das Berufsbild der Drucker veränderte sich so wie die Arbeitswelt der Redakteure und das Erscheinungsbild der Zeitungen. Das Digitale löste das Analoge ab. Aber die Zeitungen sind immer noch gut; ich glaube sogar, dass sie noch viel besser geworden sind, als sie es vor dreißig, vierzig Jahren waren. Bei meiner Jubiläumsrede für die Amberger Volkszeitung habe ich den Zeitungen, den kleinen und den großen, daher nicht nur eine gute, sondern eine sehr gute Zukunft vorhergesagt.

Die entblätterte Zukunft der taz

Als in dieser Woche die Meldung über die womöglich sehr entblätterte Zukunft der Berliner Tageszeitung taz auf den Tisch kam, habe ich an meine Laudatio über den Wert der Pressefreiheit denken müssen - und mich gefragt, ob ich da womöglich aus gegebenem Anlass ein wenig zu euphorisch war.

Die taz, vor vierzig Jahren als linksalternatives, selbstverwaltetes Zeitungsprojekt gegründet, könnte (das war der Inhalt der Meldung) als gedruckte Tageszeitung bald Geschichte sein. Im September 1978 ist die "Nullnummer Nr. 1" der Zeitung erschienen; sie enthielt unter anderem ein doppelseitiges Stück von Gabriel Garcia Marquez über den Sieg der Sandinistas in Nicaragua. Nun hat Karl-Heinz Ruch, der seit der Gründung taz-Geschäftsführer ist, das Ende der taz als gedruckte Tageszeitung angekündigt. Sie soll allenfalls noch am Wochenende in gedruckter Form erscheinen, an den Werktagen soll man sie nur noch auf dem Tablet oder dem Smartphone lesen können.

"Die taz bleibt auf dem Handy Tageszeitung. Aber sie muss sich von ihrem Vorbild auf Papier lösen", schrieben dazu die Chefredakteure von der taz. Und Geschäftsführer Ruch hob die finanzielle taz-Malaise in grundsätzliche, allgemeine und überzeitliche Dimensionen: "Das Zeitalter der gedruckten Zeitung ist zu Ende, der Journalismus lebt im Netz weiter."

Lebendiger Journalismus

Er hat recht damit, dass der Journalismus im Netz sehr lebendig ist. Er hat überhaupt nicht damit recht, dass das Zeitalter der gedruckten Zeitung zu Ende geht. Der Journalismus in der gedruckten Zeitung ist überaus lebendig; ich habe ihn nie so lebendig erlebt wie heute. Aber weil er teuer ist, sucht und findet eine Zeitung, die einsparen will und muss, halt dort ihr Sparpotential.

Der amerikanische Publizist Philip Meyer hat schon 2004 ein Buch mit dem Titel "The Vanishing Newspaper" veröffentlicht; er selbst hat aber den Tod der gedruckten Zeitung erst für das Jahr 2043 vorhergesagt. Ich glaube, dass auch er nicht recht hat. Die gedruckte Zeitung wird nicht sterben, sie wird sich nur verändern. Nur die Tageszeitungen werden sterben, die sich nicht verändern.

Das Internet ist nicht das Ende der gedruckten Zeitung; es nimmt der gedruckten Zeitung nur eine Aufgabe ab, die sie bisher, so gut es halt ging, zu erfüllen versuchte; bei der bloßen Vermeldung von Ereignissen kam und kommt die gedruckte Zeitung immer zu spät. Weil es das Internet, also bessere und schnellere Methoden bloßer Informationsvermittlung gibt, kann die gedruckte Zeitung sich auf anderes konzentrieren: auf Analyse, Hintergrund, Kommentierung, Sprachkraft, Gründlichkeit und Tiefgang - auf all das, was sich in der Hetze der Echtzeit im Internet nicht leisten lässt.

Zeitung ist sowohl die gedruckte, als auch die digitale Zeitung

Es kann schon sein, dass der Journalismus sich nicht mehr so fest am Papier festhalten wird wie bisher. Er löst sich zum Teil davon, aber löst sich nicht auf.

Zeitung ist die Zeitung, die man auf Papier gedruckt, in der Hand hält, und Zeitung ist auch die Zeitung, die man auf dem Smartphone liest. Es kann gut sein, dass immer mehr Menschen die Zeitung auch oder nur online lesen wollen - das soll mir recht sein. Hauptsache sie lesen die Zeitung, ob digital oder analog. Zeitung ist auch die digitale Zeitung.

Wichtig ist nicht der Aggregatzustand des Journalismus, wichtig ist, dass die Journalisten und Verleger wissen, dass sie eine Aufgabe haben - und dass diese Aufgabe mit einem Grundrecht zu tun hat: Artikel 5 Grundgesetz, Pressefreiheit. Nicht für jeden Beruf gibt es ein eigenes, ganz spezielles Grundrecht, genau genommen nur für einen einzigen; das verpflichtet. Das verpflichtet zur Sachkunde, die sich mit Souveränität, Ausdauer, Neugierde, Sorgfalt und Aufklärungsinteresse paart.

In die Zukunft auf zwei Schienen

Das digitale Lesen wird der gedruckten Zeitung nicht den Garaus machen. Ganz viele Menschen wollen das Lesen auf Papier nicht missen, selbst den Digital Natives geht es bisweilen so, weil das Papiererlebnis ein Erlebnis der besonderen Art ist - und weil das gedruckte Wort fassbarer ist, weil die gedruckte Zeitung ein Anfang und ein Ende hat.

Eine Eisenbahn fährt gut auf zwei Schienen - der Zeitungsjournalismus auch. Die eine Schiene ist die digitale, die andere die analoge. Wenn man auf beiden Schienen fährt, erreicht man das Ziel.

Wenn aber einer Zeitung wie der taz das auch auf einer Schiene gelingt - mir soll es recht sein.

Zur SZ-Startseite
Das Gladbecker Geiseldrama

Geiseldrama
:Was Polizei und Medien aus Gladbeck gelernt haben

Journalisten, die zu Geiselnehmern ins Fluchtauto steigen und ihnen Kaffee bringen, eine Polizei, die nur zuschaut. Für Presse wie Sicherheitsbehörden war das Gladbecker Geiseldrama, das vor 30 Jahren begann, eine Zäsur.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: