Jeden Sonntag beschäftigt sich Heribert Prantl, Kolumnist und Autor der SZ, mit einem Thema, das in der kommenden Woche - und manchmal auch darüber hinaus - relevant ist. Hier können Sie "Prantls Blick" auch als wöchentlichen Newsletter bestellen - exklusiv mit seinen persönlichen Leseempfehlungen.
Am Donnerstag der kommenden Woche beginnt in Halle an der Saale der Bundeskongress des Deutschen Juristinnenbundes, der drei Tage dauert. Das ist nun eigentlich kein zwingender Anlass für einen Newsletter, sondern eher einer zum Feiern, weil viel erreicht worden ist: Vor fünfzig Jahren war der Frauenanteil bei den Juristen noch marginal, Jurastudentinnen waren fast etwas Exotisches. Heute macht der Frauenanteil bei den Studierenden der Rechtswissenschaft 56 Prozent aus, 35 Prozent der Rechtsanwälte sind Frauen, bei den Staatsanwälten sind es 46, bei den Richtern 45 Prozent. Mission erfüllt? Gleichberechtigung in trockenen Tüchern?
Noch nicht so ganz. Es gibt noch zu tun. Bei der Höhe des Einkommens in der Privatwirtschaft, bei der Teilzeit, bei der Rückkehr in die Erwerbsarbeit nach längerer Unterbrechung, beim beruflichen Aufstieg. Aber auch in der Steuerpolitik: Das sogenannte Ehegattensplitting ist frauen- und gleichberechtigungsfeindlich; es ist ein Relikt aus den Zeiten, in denen die Hausfrauenehe als Ideal angesehen wurde. Dazu später mehr.
Gleichberechtigung kommt, so hat das Willy Brandt einmal gesagt, "voran wie eine Schnecke auf Glatteis". Der Vergleich ist fünf Jahrzehnte alt. Er ist mittlerweile historisch, es handelt sich um einen Satz, der nicht mehr für die Gegenwart, aber für eine unendlich lange und bittere Emanzipationsgeschichte steht. Da muss man gar nicht zurückgehen bis zum Jahr 1789, zur Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Als Olympe de Gouges dagegen protestierte, dass die Proklamation von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nur für die Männer galt, als sie öffentlich forderte, dass die Frau dem Mann "gleich in allen Rechten" sein muss, wurde sie geköpft.
Man muss auch nicht zurückgehen bis ins Jahr 1849, als die Schriftstellerin Louise Otto-Peters in der von ihr gegründeten politischen Frauen-Zeitung über die Verfassungsverhandlungen in der Paulskirche schrieb: "Ja, es ist auch viel und schön von den unveräußerlichen Menschenrechten geschrieben worden, aber bei alledem ist nur von Männerrechten die Rede gewesen - an die Rechte der Frau hat man nicht gedacht." Frauen durften damals in der Paulskirche nur auf den Zuschauerrängen des Balkons in gesonderten Abschnitten Platz nehmen und dort den Debatten der Männer schweigend lauschen - obwohl sie im Vormärz für die Freiheits- und Gleichheitsrechte mit auf die Barrikaden gegangen waren.
"Träger familiärer Autorität ist der Mann"
Noch 1953 erhoben wichtige Rechtsgelehrte ihre Stimme gegen das Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes und gegen die Abschaffung des Patriarchats. Der Rechtsprofessor Friedrich Wilhelm Bosch, Gründer der FamRZ, der Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, ein einflussreicher, wichtiger und angesehener Familienrechtler der Nachkriegszeit, Doyen seines Fachgebiets, Dekan der juristischen Fakultät in Bonn und in Bochum, erklärte: "Träger familiärer Autorität ist der Mann und Vater, natürlicher Wirkungskreis der Frau ist der häusliche Bereich. Diese Ordnung ist ursprünglich und länger gültig als die Autorität des Staates, der sich dieser Ordnung bei seiner Gesetzgebung beugen muss". So war auch der Inhalt der juristischen Lehrbücher von damals: Der Mann als Bestimmer mit Herrschaftsbefugnis und Entscheidungsrecht, die Frau leistet Folge.
Und das Ganze galt als Teil der ewigen Schöpfungsordnung, die auch schon Philosophen, Hegel zum Beispiel, oder Naturwissenschaftler wie Max Planck beschworen hatten. Planck, der Begründer der Quantenphysik, warnte: "Die Natur selbst hat der Frau ihren Beruf als Hausfrau und Mutter vorgeschrieben. Naturgesetze aber können unter keinen Umständen ohne schwere Schädigungen, die sich besonders am nachwachsenden Geschlecht zeigen würden, ignoriert werden." Friedrich Wilhelm Bosch, der juristische Patriarch, steht heute noch ehrend auf dem Titelblatt der FamRZ - die das große und kluge, alle zwei Wochen erscheinende Fachblatt ist auf dem Gebiet des Ehe-, Familien- und Kindschaftsrechts. Bosch ist im Jahr 2000 88-jährig gestorben.