Süddeutsche Zeitung

Präsidentschatswahl in den USA:Das Establishment gewinnt immer

Amerika sehnt sich nach einem Außenseiter, der aufräumt bei den Eliten der Macht und des Geldes. Doch zur Wahl stehen Hillary Clinton und Donald Trump.

Kommentar von Nicolas Richter

Im US-Wahlkampf 2016 lautet das Hasswort: Establishment. Der Linke Bernie Sanders knöpft sich gleich drei Establishments vor, das politische, wirtschaftliche, mediale. Der Tea- Party-Senator und Ex-Kandidat Ted Cruz verhöhnt gern das "Washingtoner Kartell". Und der Milliardär Donald Trump subsumiert unter Establishment gleich sämtliche Politiker, weil sie alle nur reden und nichts bewegen.

Das erste Opfer dieses launigen Wahlkampfs war denn auch Jeb Bush, ein Polit-Adeliger, der gut in einen Country Club passen würde, der aber auch etwas verknöchert wirkt und verwöhnt. Das ist freilich Gift im Anti-Establishment-Jahr. Bush ist schon so lange aus dem Rennen ausgeschieden, dass man sich kaum an seinen Slogan erinnert: "Jeb!", denn "Bush" hätte zu sehr nach Establishment geklungen.

Der Hass auf das Establishment ist in Wahrheit selbst sehr etabliert. Der Republikaner Barry Goldwater eroberte 1964 die Nominierung, indem er gegen die Ostküsten-Elite wetterte. Später zog Ronald Reagan mit dieser Formel ins Weiße Haus ein. Barack Obama stilisierte sich ebenfalls zum Außenseiter. Am Ende aber werden Präsidenten dann meist selbst zum Teil des Establishments. Auch in Europa hält sich schon lange ein Anti-Establishment-Argwohn gegen mutmaßlich volksferne, technokratische Eliten, die wahlweise die Europäische Union ausweiten, Freihandel ermöglichen oder Flüchtlinge aufnehmen.

Das Establishment: "moderat" und "kompromissbereit"

An der aufgebrachten republikanischen Basis wird Establishment seit einigen Jahren als Synonym für "moderat" oder "kompromissbereit" verwendet. John Boehner, der frühere Chef im Parlament, galt als moderat: Er wollte hin und wieder Gesetze verabschieden und redete deswegen sogar - zum Entsetzen mancher Parteifreunde - mit Obama. Seine Fraktion hat ihn dann aus dem Amt geekelt. Nun gilt die Abscheu der Basis eben seinem Nachfolger Paul Ryan. Amerikas Demokratie ist auf Kompromiss ausgelegt; jene aber, die den Ausgleich suchen, gelten als Verräter. Was die Gegner des Establishments genau durchsetzen wollen, ist nicht immer klar: Sanders ist zu sehr mit der Revolution beschäftigt, als dass er die Finanzierung seiner Sozialprojekte erläutern könnte.

Am ehesten lässt sich das Establishment wohl als jene Gruppe definieren, die dank ihrer Ausbildung, ihrer Nähe zu Macht und Geld und ihrer guten Kontakte immer fein raus ist. Dazu gehören jene, die abwechselnd Amtsträger und hoch bezahlte Konzernberater sind. Dazu gehören jene, die sich ihre Wahlkämpfe von Lobbygruppen finanzieren lassen und dann im Amt allerhand Gefälligkeiten schulden. Es gibt ein Foto aus dem Jahr 2005, das diesen Filz aus Macht und Geld abbildet: Es zeigt einen Unternehmer bei seiner Hochzeit, und eine Senatorin, die ihm gratuliert, als sei er ein alter Kumpel. Der Mann ist Donald Trump, die Frau Hillary Clinton.

Amerika will den Außenseiter, doch der steht nicht zur Wahl

Jeder weiß, dass Clinton das Establishment verkörpert, die vielen Jahre an der Macht, die Nähe zu Spendern, die Entrücktheit - deswegen ist sie ja vielen Landsleuten so suspekt. Aber auch der Anti-Politiker Trump ist Teil des Establishments. Er hat das System genutzt, um seine Milliarden anzuhäufen, einschließlich aller Schlupflöcher vom Insolvenzrecht bis zur Steueroase. Trump hat sich als Großspender die Gunst beider Parteien gekauft, weil man das als Unternehmer eben so tut.

Im November, wenn das Anti-Establishment-Jahr 2016 seinem Höhepunkt zustrebt, haben die Amerikaner also die Wahl zwischen einer Frau des politischen Establishments und einem Mann des wirtschaftlichen Establishments, der in Wahrheit längst auch zum politischen gehört. Zwar kann niemand diesen Begriff genau definieren, aber ein Verdacht drängt sich auf: Das Establishment gewinnt immer.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2980686
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.05.2016/tamo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.