Präsidentschaftswahl in Polen:Kehrtwende im Endspurt

Komorowski and Duda shake hands during their face-to-face televised debate at the TVN studio in Warsaw

Der Präsident und sein Herausforderer: Bronislaw Komorowski (links) und Andrzej Duda

(Foto: REUTERS)
  • Vor der Präsidentenwahl in Polen versucht Amtsinhaber Bronisław Komorowski alles, um Stimmen zu mobilisieren. Überraschend hatte er den ersten Wahlgang am 10. Mai deutlich gegen Andrzej Duda verloren.
  • Die Umfragen sagen ein knappes Rennen zwischen Komorowski von der regierenden Bürgerplattform und seinem Herausforderer voraus, der der nationalpopulistischen "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) angehört.
  • In zwei TV-Duellen machte Duda keine gute Figur.

Von Florian Hassel, Warschau

Die programmaische Kapitulation des Präsidenten kam nur Tage vor der Entscheidung. Am Sonntag stimmen 31 Millionen polnische Wähler darüber ab, ob der bisherige Präsident Bronisław Komorowski sein Amt behält oder an den Herausforderer Andrzej Duda abgeben muss. Amtsinhaber Komorowski, der lange wie der sichere Sieger aussah, verlor indes den ersten Wahlgang am 10. Mai gegen den Herausforderer und liegt in manchen Umfragen auch jetzt hinter Duda zurück.

Die Wahl gilt auch als wichtiges Signal vor der im Oktober folgenden Parlamentswahl, bei der die nächste polnische Regierung gewählt wird. Die Regierung wird seit 2007 von der Mitte-Rechts-Partei Bürgerplattform gestellt, zu der auch Komorowski gehört; Herausforderer Duda kommt aus der nationalpopulistischen "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), die von Jarosław Kaczyński dominiert wird.

So kämpft Komorowski um Wählerstimmen

Am Mittwoch dieser Woche zeigte Komorowski, dass er im Kampf um Wählerstimmen auch bereit ist, wichtige Reformen der Regierung zurückzunehmen. Herausforderer Duda hatte angekündigt, als Präsident werde er versuchen, das erst vor ein paar Jahren auf 67 Jahre heraufgesetzte Rentenalter wieder zu senken - eine unpopuläre, aber wichtige Reform im stark alternden Polen. Der sich sonst als prinzipienfest gebende Komorowski gab bekannt, er werde im Parlament in wenigen Tagen einen Gesetzentwurf einbringen, demzufolge jeder Pole, der mindestens 40 Jahre gearbeitet habe, in Rente gehen dürfe. Wie viel diese Kehrtwendung den Staat kosten werde, ließ Komorowski offen. "Die letzten Manöver Komorowskis sind einfach unseriös", kommentierte der Ökonom Ryszard Bugai in der Tageszeitung Rzeczposolita.

Auch sonst lässt der 63 Jahre alte Komorowski, der als Präsident nicht nur Gesetze vorlegen und gegen verabschiedete Gesetze sein Veto einlegen kann, sondern auch Außen- und Verteidigungspolitik mitbestimmt, nichts unversucht. Der Präsident ließ prominente Anhänger seiner Partei, der regierenden Bürgerplattform, Freunde und Bekannte anrufen oder per SMS um ihre Stimme bitten; er tourte nun unermüdlich durchs Land, um Wähler zu treffen - und er ging bei einer Fernsehdebatte mit seinem 43 Jahre alten Herausforderer Duda am vergangenen Sonntag in die Offensive.

Duda setzt auf Wandel - nur welchen?

Duda, der im Wahlkampf vor allem mit einem angeblich notwendigen politischen Wandel argumentierte, aber offenließ, wie dieser aussehen solle, wusste auf einige Fragen des Präsidenten keine Antwort. Auch in der zweiten Debatte am Donnerstagabend machte Duda keine gute Figur: Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes TNS zufolge sagen 42 Prozent der Zuschauer Komorowski als Sieger der Debatte, nur 31 Prozent fanden Duda besser.

In der Wahl geht es indes längst nicht nur um Sachpositionen. Zwar ist Polen das einzige EU-Land, in dem die Wirtschaft seit Jahren ständig wächst - seit 2007 um 33 Prozent. Die Löhne indes stiegen in dieser Zeit nur um 18 Prozent. Zwei Drittel aller Polen haben netto gerade umgerechnet 725 Euro im Portemonnaie, viele Rentner teils noch deutlich weniger. Viele Polen sehen, dass Ungleichheit auch in Polen wächst - und verpassten der Regierung - und als deren Vertreter gilt auch der zur gleichen Partei gehörende Präsident - zumindest im ersten Wahlgang einen Denkzettel. Nicht nur mit den Stimmen für Duda, sondern auch mit gut 20 Prozent für den früheren Punkrocksänger Paweł Kukiz. Duda setzt nun darauf, möglichst viele dieser Proteststimmen der Kukiz-Wähler einzusammeln.

Die Hauptfrage aus Sicht des Präsidenten ist, ob er es schafft, am Sonntag viele Polen zum Gang ins Wahllokal zu bewegen, die seine Ansichten teilen, aber beim ersten Wahlgang zu Hause blieben. In einer am Freitag veröffentlichten Umfrage liegt Komorowski mit 45 Prozent knapp vor Duda mit 43 Prozent. Umfragen sind in Polen allerdings mit Vorsicht zu genießen. Vor dem ersten Wahlgang wurde Komorowski ein Sieg mit mindestens sieben Prozentpunkten Vorsprung vorausgesagt - tatsächlich verlor er klar gegen Duda.

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