Süddeutsche Zeitung

Präsidentschaftswahl in Österreich:Warum die AfD von österreichischen Verhältnissen nur träumen kann

  • FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat bei der Bundespräsidentenwahl nur knapp verloren.
  • Die AfD hofft nun, von dem guten Abschneiden der österreichischen Rechtspopulisten profitieren zu können.
  • Beide Parteien pflegen schon länger gute Beziehungen - allerdings gibt es gravierende Unterschiede zwischen AfD und FPÖ.

Analyse von Karin Janker

Eigentlich kann sich keiner so richtig freuen über einen Wahlausgang wie diesen: 50,3 zu 49,7 Prozent - das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Österreich zeigt vor allem, wie gespalten das Land ist. Und wie unzufrieden viele Wähler mit den beiden Volksparteien ÖVP und SPÖ sind, aus deren Lagern bislang sämtliche Bundespräsidenten der Zweiten Republik stammten. Nun wird Alexander Van der Bellen neuer Präsident. Erstmals ein Grüner, und ebenfalls zum ersten Mal musste der sich in einer Stichwahl gegen einen FPÖ-Kandidaten, Norbert Hofer, durchsetzen.

Kein guter Tag also für die etablierten Parteien in Österreich. Dafür ist die Freude jenseits der Grenzen groß: Während die einen erleichtert sind über Van der Bellens Sieg, freuen sich rechte Parteien über das gute Abschneiden der FPÖ. Der NPD-Vorsitzende Frank Franz spricht auf Facebook von einem "Paukenschlag". Die islamfeindliche AfD gratuliert dem Wahlverlierer "ganz herzlich zu diesem hervorragenden Ergebnis" und veröffentlicht dazu ein Bild, das die AfD-Vorsitzende Frauke Petry neben Hofer zeigt. Beide sichtlich guter Laune. Aufgenommen wurde es auf der FPÖ-Wahlparty am Sonntagabend in der Wiener Prateralm.

Dort trat Petry öffentlich auf und gab Interviews - einerseits, um ihre Unterstützung für Hofer zu demonstrieren. Andererseits aber auch in der Hoffnung, dass ein wenig von dessen Erfolg auf ihre Partei abfärbt. Dem Standard sagte Petry: "Die FPÖ ist natürlich die Partei, die seit Jahrzehnten den Wählerzulauf hat, den sich die AfD wünscht." Petry glaubt nach der Wahl in Österreich an den Beginn einer neuen Ära in der europäischen Politik. Ihre Partei soll davon profitieren. Aber haben FPÖ und AfD tatsächlich so viele Gemeinsamkeiten oder freuen sich die deutschen Rechtspopulisten zu früh, wenn sie auf einen ähnlichen Aufstieg hoffen?

Inszenierung als "Korrektiv" zu den etablierten Parteien

Beide Parteien pflegen schon länger enge Beziehungen. Zum AfD-Parteitag im April schickte die FPÖ einen Unterstützerbrief nach Stuttgart. Unterzeichnet hatten den FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der Freiheitlichen-Generalsekretär und EU-Abgeordnete Harald Vilimsky sowie Norbert Hofer. Strache war im Januar Petrys Gast in Düsseldorf, vor der Presse betonten die beiden Parteivorsitzenden die Gemeinsamkeiten ihrer Parteien. Und die scheinen zu überwiegen - wenn auch Petry bisweilen betont, dass man sich "nicht in allen Punkten einig" sei.

Gemeinsam haben AfD und FPÖ, dass sie sich als "Korrektiv" zu den etablierten Parteien inszenieren - und als einzige Alternative zu einem überkommenen politischen System. Während in Österreich auf Hofer-Plakaten der Spruch prangte "Das Recht geht vom Volk aus", skandiert die AfD-nahe Pegida-Bewegung in Deutschland "Wir sind das Volk". Beide bauen auf Populismus, indem sie behaupten, nur sie repräsentierten die Bevölkerung.

Aktuell versucht die AfD, sich vom anfänglichen Anti-Euro- und anschließenden Anti-Asyl-Kurs nun auf eine Islam-Kritik auszurichten. Inspiration für diesen neuen Markenkern kommt aus Österreich, wo die FPÖ schon 2006 mit dem Spruch "Daham statt Islam" für ihre Liste bei der Nationalratswahl Werbung machte.

Ebenfalls ähnlich ist die Zielgruppe, an die sich diese Botschaften richten: Die Wählerklientel von FPÖ und AfD rekrutiert sich aus vergleichbaren sozialen Milieus. Wie die AfD-Wähler sind diejenigen, die am Sonntag für Hofer gestimmt haben, eher männlich als weiblich, eher aus unteren Bildungsschichten und eher ängstlich, was die Zukunft angeht. Eine im Standard veröffentlichte Analyse der im Wahlkampf besetzten Themen zeigt, dass die FPÖ in Österreich eine ähnliche Stellung im Parteienspektrum einnimmt wie hierzulande die AfD, weil sich ihre Positionen zu Themen wie Einwanderung, Europa und Zufriedenheit mit der Regierung stark ähneln.

Die Situation in Österreich ist eine andere als in Deutschland

Dennoch: Die Situation in Österreich ist eine andere als in Deutschland. Die FPÖ ist bereits seit Mitte der 1980er Jahre eine relevante Partei im politischen Spektrum, seit Langem ist sie drittstärkste Kraft. Ihr ist es jahrzehntelang gelungen, die Unzufriedenheit vieler Österreicher zu bündeln. Die AfD dagegen wurde erst im vergangenen Jahr so groß, wie sie heute erscheint, und hat vor allem von den Ressentiments vieler Deutscher angesichts der ankommenden Flüchtlinge profitiert.

Außerdem haben sich die großen österreichischen Parteien ÖVP und SPÖ so viele politische Fehler geleistet, dass es für die Opposition nicht besonders schwierig war, von dieser Situation zu profitieren. In Deutschland hingegen war die große Koalition bis vor einem Jahr sogar beliebter als ihre Vorgängerregierungen. Die AfD kann also kaum darauf hoffen, dass sie sich von den Freiheitlichen allzu viel abschauen kann.

Die deutsche Bundesregierung hat einen kleinen Vorsprung: Wenn am Montag nach der Wahl in Österreich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann davor warnt, dass sich hier nicht wiederholen dürfe, was in Österreich passiert ist, dann spricht er eine Sorge aus, aus der die AfD politisches Kapital zu schlagen versucht.

Die größten Gemeinsamkeiten zur FPÖ sieht die AfD-Vorsitzende Petry selbst übrigens in der EU-Kritik. Die größten Unterschiede liegen dagegen in der Sozialpolitik. Dem Standard sagte sie: "Die AfD wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, nicht von den Erfahrungen der FPÖ zu profitieren."

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