Präsidentschaftswahl in der Ukraine:Tausende demonstrieren gegen Janukowitsch

Der bisherige Präsident hat sich am Abend zum Sieger der Stichwahl erklärt. Der Kreml gratuliert seinem Wunschkandidaten, die EU und die USA kritisieren den massiven Wahlbetrug vor. In Kiew protestierten Tausende Oppositionsanhänger die ganze Nacht hindurch gegen das Wahlergebnis.

Etwa 2000 junge Leute in Zelten harrten die ganze Nacht auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew aus, wo ein Zeltlager für Dauerproteste aufgebaut worden war. In der Nacht trafen weitere Busse mit Oppositionsvertretern in Kiew ein. Viele Busse seien allerdings auf der Überlandfahrt von der Polizei gestoppt worden, meldete die Agentur Interfax.

Demonstranten in Kiew, dpa

Hunderttausende protestierten am Abend in Kiew gegen Janukowitsch offenbar gefälschten Sieg.

(Foto: Foto: dpa)

Am Abend waren in der Kiew rund 100 000 Anhänger der Opposition auf die Straßen gegangen und hatten fürfür den liberalen Reformkandidaten Viktor Juschtschenko demonstriert. Einige der Demonstranten schwenkten in Anspielung auf die Massenproteste vor genau einem Jahr in Georgien, die zum Sturz des dortigen Präsidenten Eduard Schewardnadse führten, große georgische Flaggen.

Sie warfen der Regierung Wahlbetrug vor und feierten in Sprechchören Oppositionskandidat Viktor Juschtschenko als ihren Präsidenten. Auch in Lwiw (Lemberg), einer Hochburg Juschtschenkos, versammelten sich rund 20.000 Demonstranten.

Protestzug vor dem Parlament

Die führende Oppositionspolitikerin Julia Tymoschenko rief die Demonstranten in Kiew auf, am Dienstag früh um 10 Uhr Ortszeit (9 Uhr MEZ) vor die Werchowna Rada, das Parlament, zu ziehen.

"Das ist der entscheidende Tag. Die Werchowna Rada muss als derzeit einziges legitimes Staatsorgan der zentralen Wahlkommission das Misstrauen aussprechen und eine neue Wahlleitung bestimmen", betonte Tymoschenko.

Präsident Viktor Janukowitsch war am Montagabend trotz des Verdachts auf massiven Wahlbetrug zum Wahlsieger erklärt worden. Am Montagabend hatte die Wahlleitung mitgeteilt, dass Janukowitsch nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmzettel uneinholbar vorn liege.

Kreml gratuliert - EU prostestiert

Janukowitsch rief im Fernsehen zur nationalen Einheit auf. "Ich werde nicht die Aktionen gewisser Politiker akzeptieren, die jetzt die Leute auf die Barrikaden rufen", sagte er. Janukowitsch sagte weiter, er wolle als Präsident auch der Position seiner politischen Gegner Rechnung tragen.

Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte dem Wunschkandidaten des Kremls telefonisch zum Wahlsieg. In der Europäischen Union und den USA lösten die allen Anzeichen nach schweren Fälschungen zu Gunsten von Janukowitsch Empörung aus.

Die EU-Staaten wollen aus Protest die jeweiligen Botschafter des Landes in ihren Hauptstädten einbestellen. Bundesaußenminister Joschka Fischer sagte am Rande eines Treffens der EU-Außenminister in Brüssel: "Wir sind besorgt über die Vorwürfe von Wahlfälschung."

USA erwägen Einreisebeschränkungen

Eine gemeinsame Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des Europarates, des EU-Parlaments und der NATO stellte ebenfalls eine massive Benachteiligung Juschtschenkos fest.

Die USA erwarten eine Überprüfung der Wahlergebnisse in der Ukraine. Das US-Außenministerium warnte Kiew vor eine Verschlechterung der bilateralen Beziehungen, falls die Betrugsvorwürfe nicht geklärt würden, so Außenministeriumssprecher Adam Ereli am Montag in Washington.

Die US-Regierung sei sehr besorgt über die angeblichen Wahlmanipulationen. Sollten sich die Vorwürfe als berechtigt erweisen, könnten die USA auch die Bestrafung von einzelnen Verantwortlichen - wie die Verhängung von Einreisebeschränkungen - erwägen, so Ereli.

Ukraine ist tief gespalten

Die Ukraine ist wegen des Wahlergebnisses tief gespalten. Die Stadträte von Lwow (Lemberg) und Iwano-Frankowsk im Westen des Landes erklärten, dass sie nur Juschtschenko als Präsidenten anerkennen.

Während in Kiew etwa 100 000 Menschen für den liberalen Reformpolitiker protestierten, gingen auf der Halbinsel Krim und im Osten der Ukraine Tausende für Janukowitsch auf die Straße.

Einer der größten Schokoladenhersteller der Ukraine kündigte an, seine Fabriken aus Protest gegen den Verlaufder Wahl für eine Woche zu schließen, wie die Nachrichtenagentur Unian meldete.

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