Präsidentschaftswahl in Brasilien:Marina Silva, die grüne Sensationsfrau

Mit dem dritten Platz bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien ist Marina Silva die eigentliche Siegerin. Weil sie fast 20 Prozent errang, müssen ihre Gegner in die Stichwahl - und sich mit ihren Themen beschäftigen.

Markus C. Schulte von Drach

Eigentlich hatte Dilma Rousseff, Präsidentschaftskandidatin der regierenden Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) fest damit gerechnet, das Zepter von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zu übernehmen.

Präsidentschaftswahl in Brasilien: Die grüne Präsidentschaftskandidatin Marina Silva zwingt ihre Gegner in die Stichwahl: Am Wahlabend freut sie sich über fast 20 Prozent der Stimmen.

Die grüne Präsidentschaftskandidatin Marina Silva zwingt ihre Gegner in die Stichwahl: Am Wahlabend freut sie sich über fast 20 Prozent der Stimmen.

(Foto: AFP)

Dass sie jetzt in die Stichwahl gegen den konservativen Sozialdemokraten Jose Serra von der PSDB (Partido da Social Democracia Brasileira) muss, hat sie einer ehemaligen Kabinettskollegin zu verdanken. Ein alter Konflikt zwischen Rousseff und der früheren Umweltministerin Marina Silva vermasselte der 62-jährigen Ex-Guerillera den Sieg, den sie schon in der Tasche zu haben glaubte.

Marina Silva von den Grünen hat fast 20 Prozent der Stimmen der Brasilianer bekommen und es werden ihre Anhänger sein, die die Stichwahl in vier Wochen entscheiden. Mehr als zwei Jahrzehnte war die 52-jährige Silva selbst Mitglied der PT gewesen, 2003 hatte Präsident Lula sie sogar in sein Kabinett geholt.

Doch die Umweltministerin sah sich zunehmend in der Rolle des Feigenblatts. Immer wieder wurden Pläne der Regierung gegen ihren Willen durchgesetzt - etwa die Legalisierung des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft, den Bau gigantischer Staudämme mit riesigen sozialen und ökologischen Folgen, und schließlich der "Plan für die nachhaltige Entwicklung am Amazonas", in dessen Rahmen Regenwaldregionen wirtschaftlich erschlossen werden sollten.

Dadurch wurde der Weg freigemacht für großflächige Rodungen. Hinter diesen Plänen stand nicht nur Staatspräsident Lula - insbesondere Präsidentschaftskandidatin Rousseff war als Ministerin für Bergbau und Energie für Großprojekte am Amazonas verantwortlich. 2008 hatte Silva frustriert die Konsequenzen gezogen und war als Umweltministerin zurückgetreten. Ein Jahr später verließ sie die PT, schloss sich den Grünen an und verkündete ihre Kandidatur für die Präsidentschaft.

Die Sympathie, die sie und den bisherigen Präsidenten Lula verbunden hatte, beruhte unter anderem auf einer ähnlichen Biographie. Wie Lula stammt Silva aus ärmsten Verhältnissen. Geboren wurde sie in einem abgelegenen Dorf im Urwald des Bundesstaates Acre als zweites von elf Kindern einer Kautschuksammlerfamilie.

Erst als 16-Jährige begann sie eine schulische Ausbildung und studierte an der Staatlichen Universität von Acre in Rio Branco Geschichte. Dort wurde sie Mitglied der Kommunistischen Revolutionspartei, die später in der PT aufging. Ab 1984 arbeitete sie gemeinsam mit dem später ermordeten Gewerkschafter Chico Mendes und Vertretern der indigenen Bevölkerung gegen die Abholzung des Regenwaldes und für dessen nachhaltige Nutzung.

Für die PT wurde sie schließlich ins Parlament, später in den Senat gewählt. Bis heute leidet Silva unter den Folgen einer Vergiftung mit Schwermetallen im Kindesalter. Unterkriegen lassen hat sie sich dadurch nicht.

Dass sie vor einigen Jahren einer evangelikalen Pfingstkirche beigetreten ist, dürfte zwar bei den Linken in der Partei keine Begeisterung ausgelöst haben. Auch Gentech-Pflanzen lehnt sie nicht mehr so rigoros ab wie früher. Und mit Äußerungen zu Themen wie Abtreibung und der Ehe zwischen Homosexuellen hält sie sich zurück, weil sie - im Gegensatz zu den Feministinnen und Menschenrechtlern bei den Grünen - eigentlich dagegen ist.

Trotzdem war sie es, die im Präsidentschaftswahlkampf in erster Linie auf Argumente gesetzt hat, während Rousseff vor allem vom Erfolg des bisherigen Präsidenten bei Armutsbekämpfung und Wirtschaftswachstum profitieren wollte. Weder bei der PT-Kandidatin noch bei José Serra waren Ökologie und Umweltschutz ein Thema. Insbesondere die jungen Wähler haben ihnen das offenbar krummgenommen.

Auch wenn Marina Silva selbst frühestens 2014 wieder als Präsidentschaftskandidatin antreten kann - ihrer Themen müssen Rousseff und Serra sich annehmen, wollen sie die Wähler der Grünen gewinnen.

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