Präsidentschaftswahl in Ägypten:Muslimbrüder feiern sich als Sieger

Die Muslimbrüder erklären sich nach der Präsidentschaftswahl in Ägypten zum Gewinner, doch auch der Gegenkandidat reklamiert den Sieg für sich. Während zwischen den Lagern ein heftiger Streit tobt, reißt das Militär mehr und mehr Macht an sich.

Noch vor Ende der Auszählung der Stimmen zur ägyptischen Präsidentenwahl ist ein heftiger Streit entbrannt. Die konservativ-religiöse Muslimbruderschaft hat ihren Kandidaten Mohammed Mursi zum Sieger der ersten Präsidentenwahl in Ägypten nach dem Sturz Husni Mubaraks erklärt. Das Lager des Gegenkandidaten Ahmed Schafik bestreitet dieses Ergebnis vehement.

Kreisen zufolge liegt der Kandidat der islamistischen Muslimbruderschaft Mohammed Mursi in Führung. Hunderte Menschen feierten am Montag in der Hauptstadt Kairo den Sieg Mursis. Auf dem Tahrir-Platz schlugen junge Männer die Trommel und sangen Jubel-Parolen. Im Stadtteil Mohandessien fuhren Anwohnern zufolge Mursi-Unterstützer hupend durch die Straßen wie Fans nach einem gewonnenen Fußballspiel.

Die Angaben von Mursis Wahlkampfteam stimmten weitgehend mit den Ergebnissen der Wahlkommission überein, sagte ein Mitglied des Gremiums der Nachrichtenagentur Reuters. Ein weiteres Mitglied der Wahlkommission bestätigte diese Angaben nicht. Die Stimmen würden noch immer gezählt. Auch in einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz hieß es, Mursi habe nach inoffiziellen Ergebnissen bei der Stichwahl am Sonntag 52,5 Prozent der Stimmen erhalten. Sein Konkurrent, der von Mubarak noch in dessen letzten Tagen als Präsident zum Regierungschef ernannte Ahmed Schafik, komme auf 47,5 Prozent. Das offizielle Ergebnis der Stichwahl will die Wahlkommission wohl erst am Donnerstag bekannt geben.

"Doktor Mohammed Mursi ist der erste vom Volk gewählte Präsident der Republik", verkündete die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei der Muslimbrüder über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter. Auch Mursis Wahlkampfsprecher erklärte, dass dieser gewonnen habe. Schafiks Wahlkampfmanager Machmud Barakeh wies die Erklärung der Muslimbrüder "komplett zurück". Diese machten sich zu Geiselnehmern der Wahl. Außerdem zeigten die ihm vorliegenden Zahlen eine Führung von Schafik, sagte Barakeh vor Journalisten.

"Präsident aller Ägypter"

Mursi sagte, er wolle Präsident aller Ägypter sein. Der Minderheit der koptischen Christen versprach er, dass jeder im Land "Teil der Familie" sein werde. Er wolle für einen "zivilen, demokratischen, verfassungsgemäßen und modernen Staat" arbeiten.

In der ersten Wahlrunde Ende Mai war Mursi mit 24,7 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz vor Schafik gekommen, der 23,6 Prozent erhielt. Die beiden Kandidaten hatten Ägypten polarisiert: Viele fürchteten im Fall eines Siegs des früheren Luftwaffengenerals Schafik eine Rückkehr der alten Führungsriege. Ein Sieg des Islamisten Mursi erschien besonders religiösen Minderheiten und säkularen Kräften jedoch als kaum wünschenswerter, da sie in diesem Fall eine Islamisierung von Staat und Gesellschaft fürchten.

Militärs übernehmen Macht des Parlaments

Unterdessen übernahmen die regierenden Militärs weitreichende Machtbefugnisse des kürzlich aufgelösten Parlaments. Laut einem nach Abschluss der Stichwahl veröffentlichten Dekret geht die Gesetzgebungshoheit an den Obersten Militärrat über, bis eine neue Volksvertretung gewählt ist. Zudem würden die Militärs ermächtigt, eine Kommission einzusetzen, die einen Verfassungsentwurf erarbeiten solle, berichtete das staatliche Fernsehen. Über die neue Verfassung müsse dann in einem Referendum abgestimmt werden. Binnen eines Monats nach deren Annahme würden Parlamentswahlen stattfinden.

Andere ägyptische Medien berichteten, dass außerdem der künftige Präsident nicht mehr Oberbefehlshaber der Streitkräfte sein solle. So müsse er laut Dekret etwa vor einer Kriegserklärung das Einverständnis des Militärrates einholen. Die Militärs hatten nach dem durch Massenproteste erzwungenen Rücktritt Mubaraks im Februar vergangenen Jahres die Macht in Ägypten übernommen. Ursprünglich hatten sie angekündigt, sie bis Ende des Monats an einen gewählten Präsidenten abzugeben.

Nach Informationen der Wahlkommission verlief die Präsidentenwahl weitgehend ordnungsgemäß und friedlich. Unabhängige Beobachter registrierten hingegen zahlreiche Verstöße gegen die Wahlordnung durch Mursis Wahlhelfer. Die Wahllokale blieben am Sonntagabend zwei Stunden länger geöffnet als geplant, um auch den Wählern die Stimmabgabe zu ermöglichen, die während des Tages wegen hoher Temperaturen den Urnen ferngeblieben waren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: