Präsidentschaftswahl in Frankreich:Neuauflage eines Duells

Präsidentschaftswahl in Frankreich: Aktuelle Umfragen sehen Macron in der Stichwahl vorne, allerdings mit einem deutlich geringeren Abstand als noch 2017.

Aktuelle Umfragen sehen Macron in der Stichwahl vorne, allerdings mit einem deutlich geringeren Abstand als noch 2017.

(Foto: AP)

Frankreich hat an diesem Sonntag die Wahl zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen. Es ist auch eine Entscheidung über die Zukunft Europas. Und die Vorzeichen stehen anders als 2017.

Von Nadia Pantel, Paris

Frankreichs Wähler stehen an diesem Sonntag vor einer sehr grundsätzlichen Entscheidung: Wollen sie Marine Le Pen zu ihrer Präsidentin machen oder Emmanuel Macron eine zweite Amtszeit ermöglichen? Le Pen steht für einen hart-rechten, nationalistischen Anti-EU-Kurs. Macron hat hinter sich Anhänger der Sozialisten und der Konservativen versammelt und setzt einen wirtschaftsliberalen Reformkurs um. Im ersten Wahlgang am 10. April holte Macron mit 27,8 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis. Auf Platz zwei folgte Marine Le Pen mit 23 Prozent, auf Platz drei, dicht dahinter, der Linke Jean-Luc Mélenchon mit 22 Prozent.

In der Stichwahl wiederholt sich nun das Duell von 2017. Damals war Macron als Außenseiter angetreten und mit 39 Jahren zum jüngsten Präsidenten der Fünften Republik geworden. Seine Kampagne setzte auf Optimismus und einen dezidiert europafreundlichen Kurs. Le Pen forderte vor fünf Jahren unter anderem den Austritt aus dem Euro und den Frexit. Sie unterlag Macron mit 33,9 Prozent der Stimmen.

Die Neuauflage von Macron versus Le Pen erfolgt nun allerdings unter anderen Vorzeichen. Anders als noch vor fünf Jahren hielt sich Le Pen diesmal mit Hieben gegen Brüssel und mit einwandererfeindlichen Kommentaren zurück. Sie gab sich volksnah, ihre Anhänger nannten sie nur noch "Marine", nicht mehr Le Pen, und zum zentralen Thema ihres Wahlkampfes machte sie die Kaufkraft. Macron hingegen haftet das Bild des "Präsidenten der Reichen" an, weil er als eine seiner ersten Amtshandlungen die Vermögensteuer abschaffte. Le Pen gelang es, einen Wahlkampf zu führen, der sich wie ein "Unten gegen oben" anfühlte.

Ihr Programm hat Le Pen allerdings nicht entradikalisiert. Sie will muslimische Frauen, die auf der Straße oder im Supermarkt ein Kopftuch tragen, bestrafen lassen. Sie möchte Abschiebungen erleichtern, den Familiennachzug für Einwanderer abschaffen und den Zugang zur französischen Staatsbürgerschaft signifikant erschweren.

Le Pens Plan sieht vor, europäische Verträge zu ignorieren

Für Deutschland wäre ein Wahlsieg Le Pens ein stärker spürbarer Einschnitt als der Brexit oder die amerikanische Präsidentschaft Donald Trumps. Berlin gegenüber pflegt Le Pen eine bewusst feindliche Rhetorik. Sie will gemeinsame Rüstungsprojekte beenden und die deutsch-französische Zusammenarbeit auch in anderen Bereichen zurückfahren. Auf europäischer Ebene schwebt Le Pen eine nationalistisch geprägte Politik vor, die sie "Europa der Völker" nennt. Sie wolle nicht aus der EU austreten, sagt Le Pen. Ihr Plan sieht stattdessen vor, sich nicht mehr an die europäischen Verträge zu halten. Für die EU würde die Präsidentschaft Le Pens eine dauerhafte Blockadepolitik bedeuten.

Aktuelle Umfragen sehen Macron in der Stichwahl vorne, allerdings mit einem deutlich geringeren Abstand als noch 2017. In den Umfragen liegt Le Pen bei mehr als 40 Prozent. Sollte Macron wiedergewählt werden, wäre er der erste Präsident seit Jacques Chirac, der eine zweite Amtszeit antritt. Chirac siegte 2002 in der Stichwahl gegen Marine Le Pens offen rassistischen und antisemitischen Vater Jean-Marie Le Pen. Die Tochter arbeitet nun mit einem softeren Image als der Vater. Sein Motto lautete Provokation, die Tochter hingegen will kein Enfant terrible der Republik sein, sondern in den Élysée-Palast einziehen. In diesem Jahr tritt Marine Le Pen zum dritten Mal bei der Präsidentschaftswahl an.

Wie schon 2017 wird Macrons Aufstieg von der Erosion der früheren Volksparteien mit ermöglicht. Die Sozialisten stürzten bereits vor fünf Jahren ab, nun sind auch die rechtsbürgerlichen Républicains weit abgeschlagen. In der ersten Wahlrunde landeten beide Parteien bei unter fünf Prozent. Statt der früheren Zweiteilung in links und rechts ist Frankreich nun dreigeteilt. In der Mitte Macron, weit links außen Mélenchon und am äußeren rechten Rand Le Pen. Ein Machtwechsel zwischen gemäßigten Kräften ist somit nicht mehr möglich.

Besondere Bedeutung kommt in diesem Jahr in Frankreich nicht nur der Präsidentschaftswahl, sondern auch der Parlamentswahl zu. Im Juni wird die Nationalversammlung gewählt. 2017 bekam Macrons frisch gegründete Partei La République en Marche dort die Mehrheit. Das dürfte dieses Mal schwieriger werden. Der Linke Mélenchon hat bereits den Wahlkampf begonnen: Er hat die Parlamentswahl kurzerhand zur "dritten Runde" erklärt, er will mit seiner Partei La France Insoumise stärkste Kraft werden und dann den Präsidenten oder die Präsidentin blockieren.

Von Mélenchons Wählern hängt nun allerdings zunächst einmal Macrons Sieg ab. Macron ist auf linke Stimmen angewiesen, um Le Pen zu schlagen. Er hat daher in den vergangenen zwei Wochen im Wahlkampf diejenigen Themen betont, die für linke und grüne Wähler in seiner Amtszeit zu sehr vernachlässigt wurden: Umwelt- und Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Unsicher ist, welchen Einfluss die Wahlbeteiligung haben wird. Beobachter warnen vor einem Nichtwählerrekord. Schließlich haben mehr als 50 Prozent der Franzosen im ersten Wahlgang für keinen der beiden Stichwahlkandidaten gestimmt.

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