Präsidentschaftswahl 2016:Wie Ben Carson die USA heilen möchte

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Dr. Ben Carson greets a supporter at a book tour stop in Ames, Iowa

So präsentiert sich Ben Carson am liebsten: Er signiert seine eigenen Bücher und plaudert mit seinen Fans, wie hier in Iowa.

(Foto: REUTERS)

Er mag Vergleiche mit der Nazi-Zeit. Die Pyramiden hält er für Getreidespeicher. Warum hat der Republikaner so viele Fans?

Von Matthias Kolb, Des Moines/Iowa

Dezell Turner hat nur wenige Sekunden mit seinem Idol. Ben Carson klappt das Buch auf, schreibt seinen Namen hinein und posiert mit dem schwarzen Teenager. Dann wird Dezell zur Seite geschoben, denn in der Schlange stehen noch Hunderte Menschen. Sie alle wollen ein Autogramm jenes Republikaners, der ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl mit etwa 25 Prozent neben Donald Trump alle Umfragen anführt und als Einziger in parteiübergreifenden Erhebungen gleichauf mit Hillary Clinton liegt.

Besonders viele Fans hat Carson in Iowa, wo am 1. Februar die erste Vorwahl stattfindet. "Ich bewundere seine Leistung als Gehirnchirurg", sagt Dezell Turner. Dass Carson den Einfluss der Regierung begrenzen will, findet der 15-Jährige ebenso gut wie seine Mutter. Sie hofft, dass Carson einhält, was er auf seinen "Heal, Inspire, Revive"-Plakaten verspricht: Die USA müssten geheilt und wiederbelebt werden, damit die Bürger wieder Großes leisten können. "Dr. Carson hat als Erster zwei am Kopf verbundene siamesische Zwillinge voneinander getrennt. Natürlich ist er schlau genug, um Präsident zu werden", sagt Dezells Mutter.

Im Getöse rund um Trump wurde Carsons Erfolg lange ignoriert. Das liegt auch daran, dass der 64-Jährige seine Rivalen nie attackiert, selten laut wird und eine unkonventionelle Kampagne organisiert: Er tourt am liebsten durchs Land und signiert Tausende Bücher. Seine Begründung ist allerdings ziemlich trumphaft: "Ich bin kein Politiker, deswegen mache ich die Dinge anders." Auch Carson nutzt geschickt die enorme Wut vieler Amerikaner und gibt den Außenseiter, der den "gesunden Menschenverstand" nach Washington zurückbringen will.

Eine außergewöhnliche Lebensgeschichte

Entscheidend für das Polit-Phänomen Ben Carson ist dessen Biografie. Obwohl seine alleinerziehende Mutter Sonya, die 23 Geschwister hatte und mit 13 verheiratet worden war, kaum lesen konnte, zwang sie ihre beiden Söhne, jede Woche zwei Bücher zu lesen und diese zusammenzufassen. Fernsehen war im Haus der Carsons in Detroit streng reglementiert, neben dem christlichen Glauben war Fleiß entscheidend. "Meine Mutter ging oft um fünf zur Arbeit und kehrte erst nach Mitternacht zurück", schrieb er 1990 in seiner Autobiografie.

Damals war Carson schon weltberühmt: Er hatte an der Elite-Uni Yale studiert und war als 33-Jähriger zum Chef der Abteilung für Kinder-Gehirnchirurgie an der Johns-Hopkins-Klinik in Baltimore ernannt worden. 1987 trennte er nach 22 Stunden Operation zwei siamesische Zwillinge voneinander, deren Köpfe verbunden waren. Jahrelang lasen ehrgeizige schwarze Eltern und Lehrer Carsons Buch "Begnadete Hände" mit ihren Schülern und Kindern, um zu zeigen, dass Afroamerikaner nicht nur als Sportler Karriere machen können (Carson wird auch in der HBO-Serie "The Wire" erwähnt).

Carsons Selbstdarstellung ist geprägt von Religiosität. Gott half dem Studenten Ben nicht nur, eine Chemieklausur zu bestehen, obwohl er nicht gelernt hatte - Gott sorgte auch dafür, dass er nach Gewaltausbrüchen in der Jugend sein Temperament kontrollieren konnte. Sein Beispiel beweise: Jeder kann es mit harter Arbeit nach oben schaffen. Auch wenn seine Mutter mitunter auf Essensmarken angewiesen war, ist Carson überzeugt, dass diese Hilfsprogramme dazu führen, dass die Armen vom Staat abhängig blieben. Bürokratische Regeln für Firmen führen seiner Meinung nach dazu, dass es für arme Amerikaner immer schwerer werde, gute Jobs zu finden.

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