Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan:Völlig losgelöst

Auf einer Podiumsdiskussion in München zeigt Gesine Schwan, dass sie eine gute Bundespräsidentin sein könnte - und beim Thema Bildungspolitik ganz andere Vorstellungen hat als Horst Köhler.

Wolfgang Jaschensky

Gesine Schwan eilt durch das große Foyer des Arabella-Sheraton Hotel im Münchner Osten. In ihrem pinkfarbenen Jackett und mit hochgestecktem Haar fällt sie selbst an diesem unübersichtlichen Ort sofort auf. Über eine kleine Treppe verschwindet sie in den Keller.

Gesine Schwan

Gesine Schwan entwirft ein Gegenmodell zum sich ökonomisierenden Bildungsbetrieb.

(Foto: Foto: Wolfgang Jaschensky)

In einem Saal warten dort circa 100 Menschen gespannt auf jene Frau, die antritt, die erste Bundespräsidentin Deutschlands zu werden. Hier ein Foto mit einem Landrat, dort eine Unterschrift für eine Studentin - dann ist auch der Hauch von Wahlkampf schon wieder vorbei.

Es ist eine Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Thema: Die Zukunft der Hochschulen. Schwan wurde als Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) eingeladen, noch bevor sie von der SPD als Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin vorgeschlagen wurde.

Ein leidenschaftliches Plädoyer für bessere Bildung

Während der gesamten Veranstaltung verhält sie sich so, als sei sie das bis heute nicht: Keine Silbe über Horst Köhler, kein Wort zu ihrer Kandidatur, keine Diagnose des "Patienten Deutschlands" und keine Heilsversprechen. Statt dessen ein überlegtes und leidenschaftliches Plädoyer.

Schwan fordert, der Diskussion über Bildung in Deutschland einen normativen Horizont zu geben. "Hochschulen und Bildung ganz allgemein haben die Aufgabe, die Zukunft einer demokratischen Gesellschaft zu sichern", sagt Schwan und entwirft ein Gegenmodell zu dem sich ökonomisierenden Bildungsbetrieb.

Schwan spricht über die Bedeutung von Selbstzweifeln, den Schaden der "unglaublichen Betonung des Wettbewerbs" und die Ellenbogengesellschaft, die das deutsche Bildungssystem zunehmend fördere.

"Lernen heißt auch, Wagnisse einzugehen"

Die Professorin ist in ihrem Element, doch was an Gesine Schwan beeindruckt, ist weniger ihre Sachkenntnis, als vielmehr ihre Fähigkeit, ein Thema auf eine abstraktere Ebene zu heben - völlig losgelöst von politischem Gezänk - und dabei die Zuhörer mitzunehmen, manchmal sogar mitzureißen.

Auch Horst Köhler hat sich schon ausführlich dem Thema Bildung gewidmet. Seine Berliner Rede hielt Köhler vor zwei Jahren in der Kepler-Oberschule in Berlin-Neukölln. Köhler sprach vom "Wettbewerb der Bildungssysteme" und erklärte, wie wichtig es sei, dass Akademiker nicht zu alt sind, wenn sie ihre erste Stelle antreten. Köhler reihte Problemdiagnosen an Aufmunterungen, Appelle an konkrete Forderungen.

Gesine Schwan plädiert für umfassende Bildung und sagt: "Lernen heißt auch, Wagnisse einzugehen". Die 65-Jährige hat mehrfach betont, eine andere Vorstellung vom Amt des Bundespräsidenten zu haben, als Bundespräsident Horst Köhler. An diesem Abend hat sie das nicht gesagt. Aber gezeigt.

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