Süddeutsche Zeitung

Kandidatin der Linken:Jochimsen: DDR war kein "Unrechtsstaat"

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Heute jährt sich der blutig niedergeschlagene Volksaufstand von 1953 in der DDR. Präsidentschafts-Kandidatin Luc Jochimsen tut derweil ihre eigene Sicht der Geschichte kund. Außerdem denkt sie laut über illegale Streiks nach.

Die Kandidatin der Linken für das Bundespräsidentenamt, Luc Jochimsen, betrachtet die DDR nicht als Unrechtsstaat per Definition. "Die DDR war ein Staat, der unverzeihliches Unrecht an seinen Bürgern begangen hat. Nach juristischer Definition war sie allerdings kein Unrechtsstaat", sagte Jochimsen dem Hamburger Abendblatt.

Ob die Mauer und der Schießbefehl nicht ausreichen würden, um von einem Unrechtsstaat zu sprechen, fragten die Reporter nach - Jochimsen antwortete: Derartige Definitionen sollten "juristisch und staatsrechtlich haltbar" sein. "Der Begriff Unrechtsstaat ist es nicht."

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte aus Anlass des Jahrestages des blutig niedergeschlagenen Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953: "Die DDR war ein Unrechtsstaat." Sie verwies auf die "Totalüberwachung der Bürger", die "Willkür der Sicherheitsbehörden" und auch auf den Schießbefehl an der Mauer. "Das darf nicht vergessen oder verklärt werden. Noch immer gibt es viel zu viele Menschen in unserem Land, die über die Vergangenheit ganz bewusst den Mantel des Schweigens decken wollen." Mit der Erinnerung werde die Aufmerksamkeit gegen den Missbrauch politischer Macht in der Gegenwart geschärft.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hielt der Linken-Kandidatin entgegen: "Jochimsen ist nicht in der Lage, die DDR als das zu bezeichnen, was sie war: ein Unrechtsstaat, der mit Mauer, Stacheldraht und Stasi-Terror das Volk unterdrückt hat." Die Linken- Abgeordnete "verhöhnt damit die Opfer des DDR-Unrechtsregimes. Besonders zynisch ist es, sich ausgerechnet am 17. Juni so zu äußern."

Jochimsen sagte in dem Interview mit der Zeitung weiter, sie sei "jederzeit" bereit, auch mit dem Präsidentschaftskandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, über das Unrecht der DDR zu reden. "Leider will Gauck nicht mit mir diskutieren", sagte Jochimsen.

Die Linken-Politikerin griff zudem die SPD und die Grünen in Nordrhein-Westfalen an, die die Linkspartei nach einem ersten Sondierungsgespräch als weder regierungs- noch koalitionsfähig bezeichnet hatten. "Es liegt nicht an uns, dass wir in NRW nicht regieren", sagte Jochimsen. "SPD und Grüne haben für uns einen Gewissens-TÜV organisiert: Wie haltet ihr es mit der DDR? War sie ein Unrechtsstaat?" Mit nordrhein-westfälischer Landespolitik habe diese Frage nichts zu tun. Die Linkspartei-Abgeordneten in NRW hätten ein "absolut demokratisches Grundverständnis".

Jochimsen sagte weiter: "SPD und Grüne haben sich in den Sondierungsgesprächen aufgeführt wie der Großinquisitor."

Außerdem brachte die Kandidatin der Linken einen Generalstreik gegen das Sparpaket der Bundesregierung ins Gespräch: "Wir müssen darüber diskutieren, welche Möglichkeiten die Bevölkerung hat, sich gegen das Sparpaket zur Wehr zu setzen", sagte Jochimsen dem Hamburger Abendblatt.

Generalstreiks sind in Deutschland, anders als in Italien oder Frankreich, juristisch nicht vom Streikrecht gedeckt und somit rechtswidrig. Luc Jochimsen fände die Idee trotzdem reizvoll: "Kurzeitig alles lahmlegen - außer natürlich Einrichtungen wie Krankenhäuser, von denen das Leben der Bürger abhängt. Aber das öffentliche Verkehrsnetz, Geschäfte, Schulen, Universitäten - warum eigentlich nicht?"

Dabei müssten aber auch die Konsequenzen eines politischen Streiks für die Schwachen bedacht werden, sagte Jochimsen. Außerdem müsse alles noch mit Gewerkschaften und außerparlamentarischen Bewegungen besprochen werden, bevor zum Generalstreik aufgerufen wird, findet die Kandidatin der Linken.

Ihre Äußerungen haben der Kandidatin der Linken derweil scharfe Kritik aus der CDU eingebracht. Luc Jochimsen verhöhne die Opfer des DDR-Unrechtsregimes, erklärte Generalsekretär Hermann Gröhe in Berlin. Er wies die Ansicht, nach der die DDR "nach juristischer Definition kein Unrechtsstaat" war, scharf zurück. "Frau Jochimsen ist nicht in der Lage, die DDR als das zu bezeichnen, was sie war: Ein Unrechtsstaat, der mit Mauer, Stacheldraht und Stasi-Terror das Volk unterdrückt hat."

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