Präsidentenwahl in Weißrussland:Kandidatin unter Verdacht

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Lächeln fürs Erinnerungsfoto mit einem jungen Wähler: Tatjana Korotkewitsch kämpft im Weißrussland von Lukaschenko um Stimmen. (Foto: AP)
  • Tatjana Korotkewitsch kandidiert für das Präsidentenamt in Weißrussland.
  • Ihr werden gegen Machthaber Lukaschenko keine Chancen eingeräumt - aber sie hat es geschafft, die unterschiedlichen Flügel der Opposition hinter sich zu versammeln.
  • Kritiker unterstellen der 38-Jährigen jedoch, eine Marionette des Regimes zu sein.

Von Julian Hans

Sie werde nicht zur Wahl gehen, sagte die frisch gekürte Nobelpreisträgerin Swjetlana Alexijewitsch, "wir wissen doch alle, wer gewinnen wird". Aber Tatjana Korotkewitsch habe ihre Sympathien, "aus weiblicher Solidarität, weil ich endlich ein normales Gesicht sehe, normale Sprache höre, die ich von den Männern bisher nicht gehört habe".

Niemand räumt der 38-jährigen Mutter eines Sohnes wirkliche Chancen im Rennen um den Präsidentensessel in Weißrussland ein. Dennoch könnte ihre Kandidatur einen Wandel einleiten, und zwar innerhalb der weißrussischen Opposition selbst. Die zahlreichen zerstrittenen Gruppen waren sich schließlich bisher bloß in einem Punkt einig: Diktator Lukaschenko muss weg. Aber über diese Formel hinaus entwickelten sie wenige konkrete Vorschläge, was genau denn anders laufen soll in dem Land mit knapp zehn Millionen Einwohnern. Es fehlten Programme und Führungsfiguren, die unterschiedliche Flügel der demokratischen Opposition hinter sich vereinigen können.

Korotkewitschs Ansatz ist ein anderer: Mit Kritik an Lukaschenko hält sie sich zurück, dafür konzentriert sie sich vor allem auf konkrete wirtschaftliche Fragen.

Mehrere Parteien stehen hinter Korotkewitsch

Ihre Kandidatur wird von mehr als nur einer Partei unterstützt. Sie tritt für das Bündnis "Volksreferendum" an, das im vergangenen Jahr begann, Unterschriften für Referenden über konkrete Fragen der Wirtschaft, Sicherheit und Sozialem zu sammeln. Unterstützt wird sie außerdem von der konservativen Belarussischen Volksfront und der parteiähnlichen Kampagne "Sag die Wahrheit" des Schriftstellers und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Wladimir Neklajew.

Einige hegten den Verdacht, die Kandidatur Korotkewitschs sei ein geschickter Schachzug des Regimes, um die Opposition zu spalten, sagt Joerg Forbrig, Weißrussland-Spezialist beim German Marshall Fund. "Mir ist keine Position aufgefallen, wo sie sich klar von Lukaschenko absetzt." Der kompromisslose Flügel der Opposition ruft dazu auf, die Wahlen lieber zu boykottieren, als Korotkewitsch seine Stimme zu geben.

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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