Süddeutsche Zeitung

Präsidentenwahl in Venezuela:Chavez verlängert sein sozialistisches Projekt

Seinen Sieg verkündete er via Twitter - und feierte später mit seinen Anhängern auf dem Balkon des Präsidentenpalastes: Hugo Chavez hat die Präsidentenwahl in Venezuela gewonnen - bereits zum vierten Mal hintereinander. Seine Macht scheint gefestigt, er darf jetzt bis mindestens 2019 im Amt bleiben. Doch die Opposition war dieses Mal nah dran an einem Sieg.

Am Sonntagabend um 19.39 Uhr venezolanischer Zeit fühlte sich Hugo Chavez Frias seiner Sache sicher genug. Er twitterte: "Danke an mein geliebtes Volk! Es lebe Venezuela! Es lebe Bolivar!". Kurz danach noch ein zweiter Tweet: "Danke an Gott! Danke an alle!"

Simon Bolivar, der südamerikanische Unabhängigkeitskämpfer, der sich Anfang des 19. Jahrhunderts gegen die Spanier auflehnte, ist immens wichtig für Chavez Politik - so wichtig, dass er dessen Namen sogar in die offizielle Bezeichnung des Staates Venezuela integrieren ließ.

"Präsident der Bolivarischen Republik Venezuela, Soldat Bolivars, Sozialist und Antiimperialist" - so beschreibt sich Chávez in seinem Twitter-Account selbst, und als er die beiden Tweets absetzte, eine gute halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale, da war bereits klar, dass er an dieser Selbstbeschreibung nichts ändern muss: Der neue Präsident Venezuelas ist auch der alte. Hugo Chavez hat, nach 1998, 2000 und 2006 zum vierten Mal eine Wahl gewonnen - und kann bis 2019 als Staatschef amtieren.

54,4 Prozent der Stimmen kann der amtierende Präsident auf sich vereinigen, wie die Nationale Wahlkommission nach Auszählung von 90 Prozent der Wahlzettel mitteilte. Sein Herausforderer Henrique Capriles Radonski, der für ein Bündnis von etwa 30 Parteien antrat, kommt demnach auf 45,0 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 81 Prozent auf sehr hohem Niveau.

Chávez ist seit 1999 im Amt und darf nach einer Verfassungsänderung von 2009 unbegrenzt als Kandidat zur Wahl antreten. 2002 hätte er sein Amt beinahe verloren, als Teile des Militärs gegen ihn putschten. Erst nach Massendemonstrationen und einem Generalstreik wurde er wieder eingesetzt. In den Jahren danach gelang es ihm, seine Macht zu festigen, vor allem durch zahlreiche Verstaatlichungen und eine enge Allianz mit dem kommunistischen Kuba, was ihm das Misstrauen aus der USA und vonseiten der Europäischen Union eingbracht hat. Während des jetzigen Wahlkampfes hatte der 58-Jährige mehrmals gesagt, dass er mindestens bis 2030 im Amt bleiben wolle, um sein Sozialismus-Modell in Venezuela zu verankern.

Chavez lobt die Opposition

Seinen Sieg feierte Chávez, umringt von seinen Ministern und politischen Freunden, auf dem Balkon des Präsidentenpalastes. Tausende Anhänger jubelten ihm dabei zu und schwenkten Fahnen, Feuerwerke erleuchteten den Himmel über der Hauptstadt.

"Heute beginnt ein neuer Regierungszyklus, in dem wir verpflichtet sind, jeden Tag noch besser zu sein und mit noch mehr Effizienz auf die Bedürfnisse unseres Volkes zu reagieren", sagte der Präsident. Das Land werde unter seiner Führung den "Übergang zum demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts weiter verfolgen".

Chávez gab sich jedoch - wie schon in den Tagen vor der Wahl - auch ungewohnt selbstkritisch. Er wolle "ein besserer Präsident als in den vergangenen Jahren sein". Seine Rede begann er außerdem mit einem Lob an die Opposition und seinen Herausforderer Henrique Capriles Radonski. Auch diejenigen, die seine Regierung und die bolivarische Revolution nicht unterstützten, verdienten Respekt "für ihren demokratischen Charakter, ihre Anteilnahme und ihren Bürgersinn".

Chávez' Herausforderer hatte seine Niederlage zuvor eingestanden. "Ich bin ein Demokrat. Der Wille des Volkes ist mir heilg", sagte Capriles während einer Pressekonferenz und verband seine Glückwünsche mit seinem Appell an Chávez, in Zukunft die Opposition stärker in seine Politik einzubeziehen. "Ich hoffe, dass der Präsident den Wunsch des Volkes mit Größe annehmen wird. Wir sind ein Land, in dem es zwei verschiedene Visionen für die Zukunft gibt und ein guter Präsident zu sein, bedeutet auch, für die Einigkeit aller Bürger in Venezuela zu arbeiten."

Die Niederlage für Capriles trifft die Opposition hart, denn diesmal hatten sich Chávez' Gegner, gestützt auf einige Umfragen, hohe Siegchancen ausgerechnet. Die jetzige Wahl galt als bisher schwierigste Abstimmung für Chávez.

Zwar ermöglichen ihm die Einnahmen aus der Ölindustrie eine üppige Sozialpolitik, doch gemessen daran, dass er während seiner Amtszeit mindestens eine Billion an Petro-Dollars eingenommen hat, ist die Bilanz seines sozialistischen Modells eher mager. Noch immer herrscht beispielsweise in einigen Viertel der Hauptstadt Caracas Armut und Mangel, während nebenan die Oberschicht in Luxusvilllen residiert.

"Dein Sieg ist auch unser Sieg"

Daher gelang es Capriles, der monatelang durchs Land tourte, selbst bei der Unterschicht mehr und mehr Anhänger zu finden. Chavez steuerte dagegen, indem er in den Monaten vor der Wahl mit viel Geld neue Sozialwohnungen baute und Programme für arme Familien aufgestockte. Am Ende reichten Capriles' Versprechen, gegen die zunehmenden Gewaltverbrechen vorzugehen, die aufgeblähte Bürokratie einzudämmen und die Korruption zu beenden, doch nicht ganz für einen Sieg gegen den Amtsinhaber.

In der lateinamerikanischen Welt, in der Chavez weit weniger kritisch gesehen wird als in Europa, löst die Wiederwahl vielfach positive Reaktionen aus. Unter den Gratulanten sind vor allem Staatschefs aus den sogenannten Alba-Staaten. Die "Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerikas" (Alba) arbeitet mit ihren acht Mitgliedsstaaten auf eine größere Unabhängigkeit von den USA und Europa hin. Ihr gehören neben Bolivien und Venezuela unter anderem Kuba, Ecuador und Honduras an.

"Dein entscheidender Sieg garantiert, dass der Kampf für eine echte Integration unseres Amerikas weitergehen kann", twitterte etwa der kubanische Präsident Raúl Castro an Chávez. Boliviens sozialistischer Präsident Evo Morales sagte, dass Chávez' Wahlsieg nicht nur ein Triumph für das venezolanische Volk sei, sondern auch ein Triumph für die Alba-Staaten und Lateinamerika, wie die spanische Zeitung El Mundo berichtet. Der gestürzte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, sprach von einem "speziellen Moment der Freude" für alle Völker Lateinamerikas und der Karibik. Erfreut zeigte sich auch Ecuadors Präsident Rafael Correa: "Chávez Sieger mit fast 10 Punkten Abstand!", jubelte er via Twitter.

Auch die argentinische Präsidentin Christina Fernandez Kirchner äußerte sich mit einer persönlichen Twitter-Nachricht an ihren Amtskollegen: "Dein Sieg ist auch unser Sieg - und der ganz Lateinamerikas. Vorwärts Hugo! Vorwärts Venezuela!".

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