Präsidentenwahl in Russland:Beobachter sprechen von Tausenden Wahlfälschungen

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Attacke mit Tränen in den Augen: Noch in der Nacht hat ein bewegter Wahlsieger Putin, der mit 64 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt wurde, seine Gegner scharf angegriffen. Russland habe eine offene und ehrliche Wahl erlebt. Die Opposition fällt ein anderes Urteil: Beobachter sprechen von tausendfachem Wahlbetrug, die OSZE von "ernsthaften Problemen". An diesem Montag wollen Zehntausende gegen die unfaire Wahl protestieren.

Überschattet von Betrugsvorwürfen ist der bisherige Regierungschef Russlands, Wladimir Putin, mit knapp 64 Prozent der Stimmen erneut zum Präsidenten des Landes gewählt worden. Nach Angaben der Wahlleitung vom Montagmorgen entfielen nach der Auszählung von fast hundert Prozent der Stimmen 63,75 Prozent auf Putin.

"Eine offene und ehrliche Wahl": Wahlsieger Wladimir Putin und der bisherige Präsident Dmitrij Medwedjew. (Foto: Getty Images)

Kommunistenchef Gennadi Sjuganow erhielt als stärkster Mitbewerber den Angaben zufolge 17,19 Prozent. Sjuganow bezeichnete die Wahl in einer ersten Reaktion im staatlichen Fernsehen als "gefälscht" und "absolut unfair". Die korrupte und kriminelle Staatsmaschinerie samt der vom Kreml gesteuerten Medien habe ausschließlich für Putin gearbeitet, sagte er.

Abgeschlagen im einstelligen Bereich landeten der Multimilliardär Michail Prochorow mit 7,82 Prozent und der Ultranationalist Wladimir Schirinowski mit 6,23 Prozent vor dem Linkskonservativen Sergej Mironow mit 3,85 Prozent. Die Endergebnisse dürften im Tagesverlauf bekanntgegeben werden.

Die Wahlbeobachterorganisation Golos registrierte am Wahltag nach eigenen Angaben 5000 Verstöße gegen das Wahlrecht. Andere unabhängige Wahlbeobachter sprachen von mehr als 2000 Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung. In vielen Wahllokalen seien registrierte Beobachter nicht zur Auszählung der Stimmen zugelassen worden, sagte ein Golos-Sprecher am Abend.

Auch andere Unregelmäßigkeiten wie organisierte Mehrfachabgaben von Stimmen werden kritisiert. Dabei seien Leute gruppenweise mit Bussen von Wahllokal zu Wahllokal gefahren worden, berichtete die Organisation Golos. Sie bezeichnete das als "Karussell"-Stimmen.

Die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach von "ernsthafte Problemen". Nach Einschätzung der Organisation hat es bei der Stimmauszählung in jedem dritten Wahllokal Unstimmigkeiten gegeben. In einem Drittel der Wahllokale sei die Auszählung "schlecht" verlaufen,

Der OSZE-Missionschef Tonino Picula teilte in einer Stellungnahme zudem mit, es habe keinen echten Wettbewerb gegeben. Die Bedingungen für die Abstimmung seien klar auf den Regierungschef Putin zugeschnitten gewesen. Konkret bemängelten die Beobachter, dass die Staatsmedien vor allem über Putin berichtet hätten. Zudem sei der politische Wettbewerb durch den Ausschluss der Opposition eingeschränkt gewesen.

Opposition kündigt Demonstrationen an

Die Opposition will an diesem Montag aus Protest gegen die aus ihrer Sicht unfaire Wahl Zehntausende auf die Straße bringen. Einer der Organisatoren der Demonstration, Sergej Udalzow, sagte, eine ehrliche Wahl hätte Putin nicht bereits im ersten Wahlgang gewinnen können. "Schmutzige Technologien wurden angewandt, und sie sind raffinierter geworden", sagte er.

Putin kritisierte nach seinem Wahlsieg die Opposition mit scharfen Worten. Seine Wähler hätten sich den "politischen Provokationen" widersetzt, die die Zerstörung des russischen Staates zum Ziel hatten, sagte Putin am Sonntagabend vor mehr als 100.000 Anhängern in Moskau. Der 59-jährige Putin übernimmt nach vierjähriger Zwangsunterbrechung wieder das höchste Staatsamt. Nach zwei Amtszeiten in Folge hatte er 2008 nicht kandidieren dürfen und wechselte ins Amt des Ministerpräsidenten.

Putin hatte sich bereits kurz nach Schließung der Wahllokale öffentlich zum Sieger erklärt. Die "offene und ehrliche" Wahl sei ein Test für die Unabhängigkeit und Reife des Landes gewesen, rief Putin den Menschen in der Nähe des Kremls zu. Der frühere KGB-Offizier betrat gemeinsam mit Noch-Präsident Dmitrij Medwedjew die Bühne. Medwedjew sagte: "Diesen Sieg braucht das ganze Land."

Der neue Präsident wurde das erste Mal gemäß geänderter Verfassung für sechs und damit zwei Jahre länger als bisher gewählt. Putin kann laut Verfassung wieder zwei Amtszeiten als Kremlchef in Folge ableisten, wenn er 2018 gewählt würde.

In einem unmittelbar vor der Wahl geführten Pressegespräch kündigte Putin an, sein Land als Wirtschaftsmacht auf Vordermann zu bringen. Er wolle Russland zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt entwickeln, sagte Putin dem Handelsblatt und weiteren westlichen Tageszeitungen. Derzeit befindet sich das Land auf Platz neun. Er setze auf eine Pro-Wachstums-Politik, eine Bekämpfung der Korruption, eine unternehmerfreundliche Steuerreform und die weitere Privatisierung von Staatsfirmen, kündigte Putin an.

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