Süddeutsche Zeitung

Präsidentenwahl in Israel:Und keiner spricht vom Frieden

Üble Gerüchte und polizeiliche Ermittlungen: Israels Parlament stimmt über einen neuen Präsidenten ab, der Wahlkampf fand im politischen Sumpfgebiet statt. Um sein Lebensthema muss sich Amtsinhaber Schimon Peres wohl weiter selbst kümmern.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Ein bedeutsamer Tag für Israels Demokratie soll es werden, ein neues Staatsoberhaupt ist zu wählen an diesem Dienstag in der Knesset. Gleich fünf Kandidaten bewerben sich um die Nachfolge des 90-jährigen Schimon Peres, der nach sieben Amtsjahren ausscheidet, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden. In seine Fußstapfen würden gern drei altgediente Politiker treten und auch zwei Quereinsteiger.

Doch das Problem bei dieser Wahl ist nicht, dass keiner von ihnen das Charisma des Alten hat, keiner seine Erfahrung oder seinen internationalen Ruf. Das Problem ist die Schlammschlacht, die im Vorhinein um das ehrwürdige Amt geführt wurde.

Der Wahlkampf verlief vorrangig im politischen Sumpfgebiet - mit bösen Gerüchten, anonymen Anschuldigungen und schließlich auch noch mit dem tatkräftigen Einsatz von Polizei und Staatsanwälten. Frühzeitig schon war der Likud-Aspirant Silwan Schalom aus dem Rennen geschieden, nachdem eine ehemalige Mitarbeiterin den Vorwurf der sexuellen Belästigung erhoben hatte.

Einer in aussichtsreicher Position wird zum Rückzug gezwungen

Noch weit größere Wellen schlug der Rückzug des alten Arbeitspartei-Haudegens Benjamin Ben-Elieser, der an diesem Wochenende - gerade einmal drei Tage vor dem Wahltag - in aussichtsreicher Position zum Rückzug gezwungen wurde.

Die Polizei hatte ihn am Freitag zum Verhör bestellt, nachdem Überweisungen eines Ölmagnaten an ihn in Höhe von mehreren Hunderttausend Dollar ruchbar geworden waren. Ben-Elieser spricht von einem Darlehen, mit dem er ein schickes Apartment mit Meerblick in Jaffa erworben habe. Die Ermittler jedoch vermuten mehr dahinter und kündigen weitere Untersuchungen an.

Nachdem kürzlich schon der frühere Premier Ehud Olmert wegen Bestechlichkeit zu einer Haftstrafe verurteilt wurde und Ex-Präsident Mosche Katzav wegen Vergewaltigung immer noch im Gefängnis sitzt, war diese Hypothek zu schwer zu tragen. Ben-Elieser warf das Handtuch und bezeichnet sich nun als Opfer einer "gezielten Hinrichtung".

Mit diesem Rückzug werden reichlich Stimmen frei im Kreis der 120 Parlamentsabgeordneten, die den neuen Präsidenten zu wählen haben. Weil sich die Arbeitspartei auf keinen gemeinsamen Kandidaten mehr einigen konnte, dürften sich die Stimmen wohl auf die anderen Bewerber verteilen. Mit einer Entscheidung im ersten Wahlgang war ohnehin nicht gerechnet worden. Doch der Kampf um einen Platz in der Stichwahl dürfte nun noch einmal spannender werden.

Gesetzt für den zweiten Wahlgang erscheint allein Reuven Rivlin, der als Kandidat des regierenden Likud auch die Unterstützung der Siedlerpartei "Jüdisches Heim" genießt. Der 75-Jährige gilt einerseits als strammer Rechter, der gegen den Rückzug aus dem Gaza-Streifen im Jahr 2005 agitierte und sich den Siedlern in Hebron als Schutzpatron andiente.

Andererseits hat er sich in der vorigen Legislaturperiode im Amt des Parlamentspräsidenten als Verfechter demokratischer Grundrechte profiliert - und dabei zum Beispiel Premier Benjamin Netanjahu gegen sich aufgebracht, der mit allerlei Finten versucht hatte, Rivlins Kandidatur zu untergraben.

Peres wird umsiedeln nach Tel Aviv - und von dort an seinem Lebenswerk arbeiten

Herausgefordert wird Rivlin aus dem Regierungslager heraus von Meir Schitrit, der zur Hatnua-Partei von Justizministerin Tzipi Livni zählt. Die hat zwar nur sechs Abgeordnete in der Knesset, doch der 65-Jährige, der einige Erfahrungen als Minister für Finanzen und Inneres hat, ist auch in anderen Parteien bestens vernetzt. Dem Likud und der Kadima-Partei gehörte er früher selber an, überdies sitzt sein Schwager Meir Cohen als Sozialminister für die Partei "Jesch Atid" im Kabinett.

Auf alte Beziehungen dürfte auch Dalia Itzik hoffen, die 2005 von der Arbeitspartei zur Kadima gewechselt war. Zwar hat die 62-Jährige derzeit keinen Parlamentssitz inne - dafür hat sie als Einzige Erfahrung im Präsidentenamt. Sie führte nämlich 2007 als damalige Parlamentspräsidentin schon einmal die Amtsgeschäfte, nachdem Mosche Katzav zurücktreten musste.

Als Quereinsteiger setzen Dalia Dorner und Daniel Schechtman darauf, dass die von Korruption und sonstigen kriminellen Machenschaften gebeutelte politische Klasse dringend neue Impulse braucht. Die 80-jährige Dorner steht als frühere Richterin am Obersten Gerichtshof für die Verteidigung von Menschenrechten und will mit ihrer Kandidatur auch den Weg für Frauen ebnen. Der 73 Jahre alte Schechtman, dem 2011 der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde, verspricht der Nation zuvörderst bessere Bildung.

Einem dieser fünf Kandidaten wird Schimon Peres am 27. Juli die Schlüssel seiner Jerusalemer Residenz aushändigen. Macht hat er nicht zu übergeben, denn das Präsidentenamt ist weitgehend zeremoniell. Peres selbst wird dann umsiedeln nach Tel Aviv in sein längst gegründetes "Peres Center for Peace" - und gewiss von dort aus weiter an seinem Lebenswerk arbeiten, einem Ausgleich mit Israels arabischen Nachbarn.

Es dürfte ein einsamer Weg bleiben. Denn für den Friedensprozess hat sich bislang noch keiner seiner möglichen Nachfolger eingesetzt.

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SZ vom 10.06.2014/fued
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