Präsidentenwahl in Afghanistan:Die Angst und die Wählerin Britney Spears

Afghanistan wählt: Wie steht es um die Sicherheit? Wie ist Volkes Stimmung? SZ-Reporter Tobias Matern beantwortet aus Kabul die wichtigsten Fragen.

Die Sicherheit

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Unter den 36 Kandidaten für die Präsidentenwahl in Afghanistan befinden sich auch zwei Frauen. Auf Plakaten dürfen sie aber nicht werben. Das Bild zeigt Wahlwerbung in Herat im Nordwesten Afghanistans.

(Foto: Foto: Reuters)

Sicherheit ist das zentrale Thema in Afghanistan, besonders vor und während der Wahl.

Die Wahl und wie es danach weiter geht

Die radikal-islamischen Taliban rufen seit Monaten zum Boykott der Wahl auf. Und je näher der Termin rückte, desto mehr Anschläge erschüttern das Land.

Am Dienstag, also zwei Tage vor dem Urnengang, kamen bei zwei Selbstmordanschlägen 17 Menschen ums Leben, eine Rakete traf sogar den Präsidentenpalast. Am Mittwoch kündigte ein Taliban-Sprecher an, 20 Kämpfer und Selbtmordattentäter seien in Kabul, zu allem bereit. Bislang kam es tatsächlich zu mehreren gewaltsamen Zwischenfällen am Wahltag - allerdings weit weniger, als befürchtet.

Bei einem Gefecht nahe einer Polizeistation im Osten Kabuls wurden zwei Aufständische von afghanischen Sicherheitskräften erschossen. Von weiteren vier Explosionen in Kabul war die Rede. In der Provinz Helmand schlugen mehr als 20 Raketen in der Nähe einer Gruppe von Wählern ein. Im nordafghanischen Bundeswehr-Standort Kundus traf eine Rakete ein Wahllokal.

In der ebenfalls an Kundus angrenzenden Provinz Takhar teilte die Polizei mit, zwei Selbstmordattentäter seien festgenommen worden, als sie versucht hätten, in ein Wahllokal einzudringen. In der Stadt Baghlan sei es nach Agenturangaben auch zu schweren Kämpfen gekommen, als "22 Terroristen" getötet wurden, wie der dortige Provinzpolizeichef sagte. Sie hätten versucht, die Öffnung der Wahllokale zu verhindern.

Außer diesen Zwischenfällen gab es keine Anschläge - bislang. Die massiven Sicherheitsvorkehrungen scheinen sich demnach auszuzahlen: 175.000 afghanische Polizisten und Soldaten schützen zentrale Ziele und die mehr als 6000 Wahllokale. Hinzu kommen mehr als 100.000 internationale Soldaten unter Nato- und US-Mandat.

Die Wahllokale werden durch ein dreistufiges Sicherheitskonzept geschützt. Erst Polizisten, dann in einem weiteren Radius afghanische Soldaten und schließlich in einer dritten Zone die Isaf-Soldaten. Dadurch soll auch der Eindruck vermieden werden, der Westen könnte versuchen, Einfluss auf die Wahlen nehmen.

Die Stimmung im Land

Die Angst vor Attentaten gehört in Afghanistan zum Alltag der Menschen. Tausende sind dabei schon gestorben, und immer wieder fragen sich die Menschen natürlich: Was könnte als nächstes passieren? Und wo? Aber nach den Anschlägen geht das Leben wieder erstaunlich schnell seinen normalen Gang. Wenn man die Menschen auf der Straße dann fragt, ob sie keine Angst hätten, sagen viele, sie seien das gewohnt. Und: Was sollen wir denn machen?

Doch die vermehrten Anschläge vor den Wahlen entfalten trotzdem ihre Wirkung. Die Mitarbeiter ausländischer Organisation verlassen derzeit kaum mehr ihre Häuser und auch den Einheimischen merkt man an, dass es derzeit noch schlimmer ist als sonst.

Darunter wird, so fürchten viele, die Wahlbeteiligung empfindlich leiden. Doch viele sagen, dass sie trotz aller Gefahren wählen gehen wollen. Und viele zeigen darüber hinaus ein beeindruckendes Engagement für die Demokratie: Wie die Helfer bei den mobilen Wahllokalen, die keine Anstrengung unterlassen, um auch in entlegenen Provinzen jedem Afghanen die Möglichkeit zu geben, seine Stimme abzugeben. Oder die Polizisten, die ihr Leben riskieren, um die Sicherheit ihrer Landsleute zu gewährleisten.

Die Wahl und wie es danach weiter geht

Die Wahl

Der überwältigende Eindruck der Menschen in Afghanistan ist, dass bei der Wahl gemauschelt wird. So gibt es mehr registrierte Wähler als Wahlberechtigte. Das legt natürlich den Verdacht nahe, dass manche Afghanen sich mehrfach haben registrieren lassen. Eine Frau hat sich kürzlich offenbar mit dem Namen "Britney Spears" eintragen lassen. Solche Geschichten öffnen Spekulationen über Manipulationen Tür und Tor.

Hamid Karsai, der Präsident und Favorit bei den Wahlen, sieht sich außerdem dem Vorwurf ausgesetzt, massiv Druck auf Stammesführer ausgeübt zu haben. Die haben in den Teilen Afghanistans mit einer ausgeprägten Stammestradition, erheblichen Einfluss auf das Wahlverhalten.

Karsais chancenreichster Herausforderer, der frühere Außenminister Abdullah Abdullah, warnte den Amtsinhaber bereits, dass die Menschen auf die Straße gehen werden, wenn sie das Gefühl bekommen, dass bei der Wahl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Um Abdullah Abdullah besteht derzeit ein regelrechter Personenkult, er schafft es derzeit wie kein anderer, die Menschen zu mobilisieren.

Dennoch ist Karsai der klare Favorit. Abdullah Abdullah könnte es allerdings schaffen, den Amtsinhaber in eine Stichwahl zu zwingen. Die übrigen 32 Kandidaten und zwei Kandidatinnen dürfen sich keine Chance ausrechnen.

Wie es weiter geht

Die Wahl und wie es danach weiter geht

Die Regierung muss sich daran messen lassen, ob sie es schafft, die Sicherheit für die Menschen in Afghanistan zu erhöhen. Die Wahl ist dabei die Achillesferse. Wenn es gelingt, diese erfolgreich über die Bühne zu bringen, hat Afghanistan bereits viel gewonnen.

Da Karsai die Regierung weiter führen wird, ist keine fundamentale politische Veränderung zu erwarten. Auffällig ist aber, dass Karsai sich in den vergangenen Monaten verstärkt darum bemüht war, die einstigen Kriegsfürsten einzubinden. Deren Macht nimmt wieder zu. Doch es kann sich auch herausstellen, dass eine Zusammenarbeit mit den Warlords besser ist, als ein Rückfall in das repressale Chaos. Viel wird auch davon abhängen, ob es Karsai gelingt, gemäßigte Taliban an den Verhandlungstisch zu bringen.

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