Präsidentenpaar Christian und Bettina Wulff:Gefährlicher Glamour

Lesezeit: 4 min

"Prinz Charles der deutschen Politik" wird Christian Wulff zuweilen genannt - halb spöttisch, halb wohlwollend. Er und seine Frau liefern Glamour-Fotos wie kein Präsidentenpaar zuvor. Nach neuen Vorwürfen in der Kreditaffäre gegen ihn wächst allerdings die Sorge, dass dieser Glamour das Amt des Staatsoberhauptes gefährdet.

Stefan Braun

Vor einer Woche war die Welt für Christian und Bettina Wulff noch in Ordnung. Sie war absolut in Ordnung. Diese Welt war fast schon aus Tausendundeiner Nacht. Und zwar wortwörtlich. Denn der Bundespräsident und seine Gattin hatten eine Nacht unter dem Himmel der arabischen Wüste verbracht. Die Wulffs waren im Zuge einer Auslandsreise via Helikopter des Sultans von Oman in das "1000-Nächte-Camp" gebracht worden, durften dort den Sonnenuntergang und ein Abendessen unter den Sternen genießen, schliefen dann in einer "Hütte" und bestaunten noch vor sechs Uhr am Morgen die Dünen. Erst danach reisten sie zurück zur deutschen Delegation in Maskat.

Sie lacht, er sinniert: Bundespräsident Christian Wulff und seine Ehefrau Bettina bei der Aufzeichnung des ZDF-Weihnachtskonzerts in der Wittenberger Schlosskirche. (Foto: dpa)

Von der "Expedition Romantik" schrieb anschließend die Bild am Sonntag, garniert mit dem schönen Bild sehr fröhlicher Wulffs in der Wüste. Perfekter geht es kaum für ein Präsidentenpaar, zu dessen Auftrag von Anfang an gehörte, nach den von Weizsäckers, Herzogs und Köhlers mal ein junges, dynamisches, schönes Couple abzugeben. Im Schloss Bellevue sollte zwar kein König, aber eine Art Königspaar residieren.

Eine Woche später ist davon nicht mehr die Rede. Am Dienstag berichtete Bild über einen umstrittenen Privatkredit, den Wulff im Herbst 2008 von der Gattin des befreundeten Unternehmers Egon Geerkens gewährt worden war. Es folgten erst eine nüchtern-juristische Pressemitteilung des Präsidialamtes, dann eine persönliche Erklärung des Präsidenten. Und obwohl ihm das zunächst Luft verschafft hatte, machen ihm widersprüchliche Äußerungen des Unternehmers zu dem Kredit an diesem Wochenende wieder schwer zu schaffen. Und das vor allem, weil sie auch Wulffs Version der Abläufe wieder in Frage stellen.

Erst großzügig, dann kritisch

Entsprechend hat eine zunächst großzügige Opposition mittlerweile einen kritischeren Kurs eingeschlagen. Bestes Beispiel ist Thomas Oppermann, Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Nach Wulffs Erklärung lobte er die Einlassungen des Staatsoberhaupts, zollte ihm Respekt und erklärte, jeder Mensch mache Fehler. Nach den widersprüchlichen Aussagen von Egon Geerkens, zitiert im Spiegel, spricht Oppermann nun davon, dass das Amt und die Glaubwürdigkeit des Bundespräsidenten beschädigt werde. Und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles fordert, Wulff müsse nun "sehr schnell und wirklich offensiv alles auf den Tisch packen". Ansonsten müsse er darüber nachdenken, ob er "weiter ein Vorbild in Deutschland sein kann."

Nun muss man festhalten, dass es der Opposition in Berlin kaum gelingen könnte, einen Bundespräsidenten mit auch noch so harscher Kritik zu stürzen. Deutlich unangenehmer wird es, wenn jene, die ihn im Sommer 2010 wählten, von ihm abrücken sollten. Das passiert bislang nicht. Offiziell steht die schwarz-gelbe Koalition weiter hinter ihm, allen voran Kanzlerin Angela Merkel. Der Grund dafür ist freilich ein egoistischer. Denn nichts kann die Kanzlerin und ihr immerwährend kriselndes Regierungsbündnis derzeit weniger gebrauchen als eine erneute Kandidatensuche mit einer Abstimmung in der Bundesversammlung, von der wirklich niemand sagen könnte, wie sie angesichts knapper Mehrheitsverhältnisse enden würde.

Schiebt man das machtpolitische Kalkül aber beiseite, wird die Lage komplizierter. Mit Ausnahme des nicht eben bekannten FDP-Bundestagsabgeordneten Erwin Lotter gibt es zwar niemanden, der seine Zweifel an Wulff öffentlich ausdrückt. Trotzdem wachsen die Zweifel beträchtlich. Und das hängt nicht zuletzt mit all dem zusammen, was sich vor einer Woche in der "Expedition Romantik" von seiner strahlenden Seite präsentierte. Denn was gemessen an der Wirkung in der Regenbogenpresse wie ein triumphaler Erfolg aussieht, löst in den Reihen der Union mittlerweile Bauchschmerzen aus. Die Rede ist von der Glamourwelt, in die der Präsident und seine Gattin seit Amtsantritt eingetaucht sind.

Wie keinem Präsidentenpaar zuvor ist es den Wulffs gelungen, sehr flott und ausdauernd schöne Bilder in den Boulevard-Medien zu produzieren. Dabei spielt nicht Wulff, sondern seine Frau Bettina die entscheidende Rolle. "Die Schöne und der Wulff", hieß es schon früh im Magazin Stern. Die Bunte schrieb wenig später: "Willkommen im Land des Lächelns". Und vor einigen Wochen fragte die Bunte neben einem Foto des Ehepaars Wulff in Abendkleidung: "Wow! Ist das Charlene? Nein, Bettina!" Der Vergleich mit der neuen Fürstin von Monaco bringt es auf den Punkt: Mit diesen Wulffs habe Deutschland endlich, was viele andere Länder bis heute mit ihren Königshäusern besitzen.

Doch so vergnüglich-süffisant das viele Christdemokraten lobend hervorheben (bei manchen schwingt da durchaus Neid mit), so sehr fangen sie seit einer Woche an, über diesen Wulff und seine Frau neu nachzudenken. Einige nennen ihn seit seiner Wahl halb wohlwollend, halb spöttisch "Prince Charles der deutschen Politik".

Sorge, dass die nötige Distanz verloren geht

Immer mehr jedoch thematisieren auch die Schattenseite, die das alles mit sich bringen könnte. Es ist in der Unionsführung nämlich kaum einem verborgen geblieben, dass Wulffs Ausrutscher, also die Urlaube in den Domizilen betuchter Freunde oder das Upgrading in die Business-Class eines Flugs nach Florida zu einem erheblichen Teil von Wulffs Frau Bettina ausging. Sie hatte mit dem damaligen Air-Berlin-Chef Joachim Hunold über das Upgrading gesprochen. Und sie war es auch gewesen, die mit der Frau des Hannoveraner Unternehmers Carsten Maschmeyer, der Schauspielerin Veronica Ferres, über die Erschöpfung ihres Mannes Christian und sein Bedürfnis nach Urlaub in ungestörter Atmosphäre gesprochen hatte. So hat es Maschmeyer selbst einmal berichtet.

Daraus formuliert in der Union niemand direkte Vorwürfe gegen Wulffs Gattin. Aber es wächst die Sorge, dass durch die immer engeren Beziehungen in die Welt des Glamours das Gefühl für die nötige Distanz und Zurückhaltung eines Staatsoberhaupts verlorengegangen sein könnten.

Christian Wulff hat am Wochenende erklärt, man müsse selbst wissen, was man mache, und das müsse man dann auch verantworten. "Das kann ich. Und das ist das Entscheidende." Das klingt sehr entschieden, das klingt nicht nach Rücktritt, sondern der persönlichen Entscheidung, in dieser Geschichte durchzuhalten. Dabei kann er sich einer Sache immerhin sicher sein: dass die "Expedition Romantik" in die Wüste des Omans keinen Ärger bereiten dürfte. Die Annahme einer Einladung in die Wüste ist während eines Staatsbesuchs nicht verboten.

© SZ vom 19.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: