Präsident unter Bewährung:Wie Wulff den Weihnachtsfrieden finden kann

Christian Wulff ist ein Präsident, der unter Bewährung steht. Er muss als Person wieder glaubwürdig werden, um das Amt des Bundespräsidenten nicht nachhaltig zu beschädigen.

Heribert Prantl

Rücktritt? Nein. Ein Rücktritt wäre Flucht vor Bewährung und Verantwortung. Der Bundespräsident muss als Person wieder glaubwürdig werden, um sein Amt, das des Bundespräsidenten, nicht nachhaltig zu beschädigen.

Schon der Vorgänger von Christian Wulff, Horst Köhler, ist - unter merkwürdigen Umständen - zurückgetreten. Wenn nun, nicht einmal zwei Jahre später, der nächste Präsident schon wieder zurückträte - die Institution Bellevue wäre schwer beschädigt, das Amt des Bundespräsidenten als solches würde in Frage gestellt werden. Brauchen wir das Amt noch, würde allseits gefragt? Wir brauchen es! Die Institution des Bundespräsidenten war ein Glücksfall in der Geschichte der Bundesrepublik; das Glück ist allerdings in den vergangenen Jahren brüchig geworden. Das ändert nichts daran: Die Bundespräsidenten haben der Bundesrepublik gutgetan.

Wulffs Handeln muss sich daher jetzt darauf fokussieren, dem höchsten Amt im Staate keinen dauernden Schaden zuzufügen. Entscheidend ist nicht mehr, ob er die Großzügigkeit von Freunden in Anspruch nehmen durfte oder nicht - er durfte es natürlich nicht -, sondern wie er jetzt, nachdem er es getan hat, seine moralische Integrität wieder herstellen und damit das Amt des Bundespräsidenten schützen kann.

Gewiss: Die Ministerpräsidentenjahre Wulffs sind reich an Merkwürdigkeiten, die in zu großer Nähe zu Versicherungs- und sonstigen Unternehmern wurzeln. Ein Bundespräsident braucht andere Wurzeln. Dieses Amt lebt von der Persönlichkeit des jeweiligen Trägers des Amts. Man kann die Frage stellen, ob es denn womöglich die Persönlichkeiten, die dem Amt Aura und Größe geben, nicht mehr gibt. Es gibt sie!

Man muss freilich den Mehrheitsparteien, an der Spitze der Kanzlerin, den Vorwurf machen, dass sie nicht nach der respektabelsten Persönlichkeit suchen, sondern die vermeintlich kompatibelste und parteipolitisch nützlichste Person wählen. Dem Land wäre wohl einiges erspart geblieben, wenn seinerzeit statt Horst Köhler Wolfgang Schäuble gewählt worden wäre. Christian Wulff ist ein Präsident, der unter Bewährung steht. Er möge sich bewähren. Die Bewährungsauflage heißt: Reden, erklären, bedauern, entschuldigen. Man möchte jetzt wissen, was tatsächlich passiert ist, wie weit seine Beziehungen zu Unternehmern und Finanzdienstleistern gingen. Da dürfen keine weiteren Verdächte mehr schmoren.

Das Land braucht einen verdachtsfreien Präsidenten, einen der reinen Tisch gemacht hat. Eine Entschuldigung verunziert einen Präsidenten nicht. Er wird zu alledem auch in seiner Weihnachtsansprache etwas sagen müssen. Er muss seine Affäre, nicht nur den Weihnachtsbaum beleuchten. Es kann ja nicht sein, dass er über Probleme der Welt im Allgemeinen und die deutschen Probleme im Speziellen redet und dabei die eigenen Probleme, die ihn und das Amt betreffen, ausspart.

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