Präsident Trump:Sieg des Enthemmten

Präsident Trump: Für viele ist die schlimmste Furcht zur Wirklichkeit geworden. Die USA wenden sich einer autoritären Führungsfigur zu - die Demokratie steht vor einer historischen Herausforderung.

Kommentar von Sebastian Gierke

Das war kein Wahlkampf. Das war eine nationale Krise. Und an ihrem nur vorläufigen Ende steht die größte anzunehmende Katastrophe: Donald Trump ist US-Präsident. Das Unvorstellbare ist Wirklichkeit geworden.

Ein Narzisst, ein notorischer Lügner, ein Sexist, ein Rassist, ein Chauvinist, ein Populist, ein Demagoge - vielfach belegt in diesem anderthalbjährigen Wahlkampf, so drastisch es auch klingen mag - ist nun das, was man gemeinhin mächtigster Mann der Welt nennt. Die Vorstellungskraft auch vieler Politiker reicht noch nicht aus, um die Folgen dieser Wahl abzuschätzen. Dass er die USA in gewaltige Probleme stürzen wird, ist jedenfalls keine sonderlich gewagte Vorhersage.

Wird er wirklich die Mauer zu Mexiko bauen? Wird er Muslime nicht mehr einreisen lassen? Wird er Millionen illegale Einwanderer abschieben? Wird er die USA aus der Nato herausführen? Wird er die USA wirtschaftlich und politisch isolieren?

Die Welt muss sich vor den USA mit einem solchen Präsidenten durchaus fürchten, doch diesmal löst nicht Amerikas Übermacht die Furcht aus, sondern die brutale Schwäche des Landes, verkörpert durch den oft geradezu pubertär-aggressiven Präsidenten. Trump ist die Verkörperung eines kranken Systems. Ein System, das zu lange zu viele Verlierer produziert hat.

Bequemer demokratischer Konsens

Jede Stimme für Trump war ein Faustschlag gegen das politische Establishment. Die Wähler haben sich verführen lassen von seinem Siegerimage. Trump verkörpert, dass er alles schafft, dass er sich nicht an Regeln halten muss, dass er im Zweifelsfall sogar über der Wahrheit stehen kann. Alles scheint bei ihm möglich zu werden: Ihr habt Geldsorgen? Ihr braucht drei Jobs, um über die Runden zu kommen? Nicht mehr, wenn ich Präsident bin! Ihr fürchtet euch vor Terror? Mit mir im Weißen Haus müsst ihr das nicht! Ihr findet, Latinos und Schwarze nehmen euch die Frauen weg? Das wird unverzüglich geändert!

Die Gefahr, die von Trump ausgeht, haben viele lange unterschätzt. Als er seine Kandidatur erklärte, glaubte keiner, dass Trump sich im Vorwahlkampf der Republikaner durchsetzt. Und selbst als er dann für die Partei gegen Clinton antreten durfte, glaubte niemand an eine echte Chance. Doch die Verführungskraft der Enthemmung war groß. Die Republikaner haben lange gegen die Eliten gehetzt, gegen die da oben. Es war diese Stimmung, die Trump stark gemacht hat.

Trump einfach abzulehnen, war simpel für die Weltoffenen, Liberalen, Andersdenkenden im Land. Doch aus diesem Konsens der Demokraten konnte keine Begeisterung für Clinton entstehen. Nichts Zukunftsweisendes.

Die USA wenden sich einer autoritären Figur zu

Hillary Clinton war nicht die Richtige, um Trump zu schlagen. Sie verkörpert, was viele Amerikaner im Moment nicht wollen - den stets kontrollierten Opportunismus der klassischen Politik. Bernie Sanders, der ähnlich wie Trump den Volkszorn für sich nutzte und den Clinton im Vorwahlkampf geschlagen hat, wäre wohl nicht der bessere Präsident gewesen, aber er hätte gegen Trump mit ähnlichen Waffen kämpfen können.

Barack Obamas Amtszeit ließ die Gegner der Demokraten laut und kompromisslos werden. Diese Menschen sehnen sich nach einer Zeit zurück, in der auch Rassismus und Frauenfeindlichkeit die USA geformt haben. Jetzt stehen diese Menschen, eigentlich eine Minderheit in den USA, auch dank eines antiquierten Wahlsystems tatsächlich auf der Gewinnerseite, und Obamas politisches Erbe ist akut gefährdet.

Mit Trumps Sieg wenden sich die USA einer autoritären Führerfigur zu. Die Attraktion des Autoritären entsteht durch die Unfähigkeit, Differenz und Ambivalenz zu ertragen. Weil er diese Mechanismen bediente, hat Trump gewonnen. Er hat verantwortliches Handeln im Großen wie im Kleinen diskreditiert und sich den Wohlstands-Chauvinismus der Reichen, die Abstiegsängste der Mittelschicht und die Wut der Abgehängten zu Nutze gemacht.

Trotzdem darf man Trumps Wähler jetzt nicht verdammen. Gerade die weißen Arbeiter, die Trump den Sieg zuallererst gesichert haben, erleben die politische Diskussion oft wie eine Demütigung. Eine tonangebende intellektuelle Minderheit macht sich nicht selten lustig über sie. Der im Alltag strauchelnde weiße Arbeiter muss sich seine Privilegien von Elite-Uni-Studenten vorhalten lassen: Das geht eben nicht ewig gut.

Der ultimative Test für die Demokratie

Stattdessen sollte man mit Trumps Wählern streiten. Denn wer streitet, beweist, dass er sich nicht im Besitz der absoluten Wahrheit wähnt. Wer richtig streitet, hat sich einen Restzweifel an der eigenen Position bewahrt. Im politischen Streit muss die Aggressivität Trumps und seiner Anhänger eingehegt werden. Er hat ja selbst gesagt, er könne ein anderer werden, wenn er erst Präsident sei. Er könne die politisch korrekteste Person überhaupt sein. Das ist schwer zu glauben. Doch es ist den Versuch wert, Trump auf den Boden der Realpolitik zu holen.

Schwierig wird das allemal: Trump fehlt die Distanz zu sich und seinen Urteilen. Und er besitzt eine unerschütterliche Selbstsicherheit, die durch den Wahlsieg sicher nicht abnimmt. Darin steckt die größte Gefahr für Amerika, für die Welt.

Amerika ist eine starke Demokratie, Trump ist für diese die ultimative Herausforderung.

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