Süddeutsche Zeitung

Präsident Sarkozy erklärt seine Kandidatur:Müder Käpt'n bleibt an Bord

Der "Präsident der Reichen" nuschelt sich in den Wahlkampf: Nicolas Sarkozy erklärt sich endlich zum Präsidentschaftskandidaten und verspricht dem Volk mehr Mitspracherecht. Allein: In Frankreich überzeugt das kaum jemanden.

Lilith Volkert

Nicolas Sarkozy hält nichts von einem Kapitän, der bei schwerem Sturm sagt, er sei müde und wolle das Schiff verlassen. Tatsächlich geht Frankreich gerade durch wirtschaftlich stürmische Zeiten und der Präsident möchte die Republik auch die nächsten fünf Jahre lang steuern. Doch bei seinem Auftritt am Mittwochabend, der eigentlich den furiosen Beginn seines Wahlkampfes markieren sollte, wirkte Sarkozy trotz aller rhetorischer Kniffe eher wie ein müder Seemann, der sich nur aus Gewohnheit ans Steuerrad klammert.

"Ja, ich bin Kandidat", nuschelte er zu Beginn des 17-minütigen Interviews mit dem Privatsender TF1. Weniger kämpferisch als die Franzosen es von ihm kennen, erklärte Sarkozy, er wolle im Amt bleiben, weil er noch nicht alles erreicht habe, was er sich bei seiner Wahl 2007 zum Ziel gesetzt habe.

Mehr Arbeitsplätze wolle er schaffen und "dem französischen Volk seine Stimme zurückgeben". Jedes Mal, wenn eines seiner Reformvorhaben in der Sackgasse stecke, werde er die Bevölkerung per Referendum entscheiden lassen. Für die Schwierigkeiten der französischen Wählerschaft machte der Präsident unter anderen die Finanzkrise verantwortlich.

Die französische Presse fällte nahezu einstimmig ein vernichtendes Urteil. "Unspektakulär und ohne Elan" war der Auftritt, heißt es im ostfranzösischen Républicain Lorrain. "Die ganze Erklärung zielte auf eines ab: zu verhindern, dass wir seine Bilanz untersuchen", schreibt La République des Pyrénées. Die Tageszeitung Libération aus Paris sieht in seinem Auftritt vor allem das verzweifelte Bemühen, das Etikett des "Präsidenten der Reichen" loszuwerden, das ihm wegen seiner Steuerpolitik seit Jahren anhaftet.

Viele Kommentatoren fragen sich, warum Sarkozy in der nächsten Amtszeit schaffen soll, was ihm in der vergangenen nicht gelungen ist. Sud-Ouest aus Bordeaux fügt hinzu: "Es bleibt die Frage, wie es gelingen soll, die fünf vergangenen Jahre vergessen zu lassen. Und ob die Franzosen dazu bereit sind."

Nur die konservative Zeitung Le Figaro ist dem Präsidenten gewogen: Sarkozys Sicht der Dinge sei der Öffentlichkeit schwieriger zu verkaufen, weil sie ihre Gewohnheiten durcheinanderbringe. "Aber Frankreich kann sich nicht mehr erlauben, mit Klötzen am Bein am Globalisierungswettbewerb teilzunehmen. Man muss also die Wettbewerbsfähigkeit, das soziale Sicherungssystem und die öffentlichen Ausgaben überdenken - alles Dinge, von denen François Hollande nicht spricht und die Nicolas Sarkozy bis zur ersten Wahlrunde auf den Tisch legen wird."

Sarkozys Gegenkandidaten kritisierten den Auftritt des Präsidenten als verlogen und überflüssig. Der Präsident sei bereits seit Beginn seiner Amtszeit wieder Kandidat, sagte der in Umfragen führende sozialistische Herausforderer François Hollande.

Die Grüne Eva Joly kritisierte die "große Leere" in Sarkozys Darbietung, die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen spottete, er habe schon einmal die Nebelmaschine rausgeholt und werde in den kommenden Wochen höchstens einen blassen Abklatsch seines letzten Wahlkampfes bieten. François Bayrou von der Mitte-rechts-Partei MoDem griff Sarkozys Steuermann-Vergleich auf und empfahl: "Wenn ein Kapitän sein Schiff auf ein Riff gefahren hat, muss man ihn austauschen."

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