Der rechtsnationale Kandidat Karol Nawrocki hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen gewonnen. Er kam auf knapp 50,9 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission am Morgen mitteilte. Für seinen liberalen Gegenkandidaten Rafał Trzaskowski votierten 49,1 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Die Wahlbeteiligung lag bei einem Rekordwert von mehr als 71 Prozent.
Die Wahl ist auch für die EU von großer Bedeutung. Nawrocki lehnt vieles an der EU ab, er betrachtet viele Entscheidungen in Brüssel als antipolnisch, vom Euro hält er nichts. Ob Polen unter seiner Präsidentschaft die klare Unterstützung der Ukraine und deren avisierten Beitritts zu EU und Nato aufrechterhält, ist fraglich.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte Nawrocki zu seinem Sieg. „Ich bin zuversichtlich, dass die EU ihre sehr gute Zusammenarbeit mit Polen fortsetzen wird“, schrieb sie auf der Plattform X. „Gemeinsam sind wir alle stärker in unserer Gemeinschaft des Friedens, der Demokratie und der Werte.“ Von der Leyen appellierte, gemeinsam daran zu arbeiten, Sicherheit und Wohlstand zu gewährleisten.
Ziemiak: „Es wird mit diesem neuen Präsidenten Karol Nawrocki nicht einfacher“
Mit Blick auf das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe, Paul Ziemiak, im ARD-„Morgenmagazin“: „Es wird mit diesem neuen Präsidenten Karol Nawrocki nicht einfacher.“ Er habe im Wahlkampf auch antideutsche Töne angeschlagen. Dennoch sollte man Nawrocki eine Chance geben. Die deutsch-polnische Zusammenarbeit sei „fundamental wichtig“ für Europa. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) setze auf ein starkes Verhältnis zwischen Deutschland, Frankreich und Polen im sogenannten Weimarer Dreieck.
Der 42 Jahre alte parteilose Historiker Nawrocki ist der von der rechtsnationalistischen PiS-Partei gewünschte Kandidat für die Nachfolge von Staatspräsident Andrzej Duda. Nawrocki ist umstritten, unter anderem weil ihm vorgeworfen wird, an Hooligan-Schlägereien beteiligt gewesen zu sein und Verbindungen zu Neonazis zu pflegen. Sein Gegner in der Stichwahl war der Warschauer Oberbürgermeister Trzaskowski. Dieser wurde von der Regierungskoalition von Ministerpräsident Donald Tusk unterstützt.
„Das ist natürlich ein wirklich schwieriges Ergebnis, denn es dokumentiert auf der einen Seite eine 50:50 Spaltung des Landes“, sagte der neue Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham, am Montag im RBB-Radio. Zudem bedeute dies innenpolitisch in Polen eine „sehr, sehr schwierige“ Lage. „Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Stillstand der Reformbemühungen der Regierung Tusk“, fügte er mit Blick auf die vom europafreundlichen Ministerpräsidenten angestrebten Reformen etwa im Justizbereich hinzu.
Große Veränderungen im deutsch-polnischen Verhältnis erwartet der CDU-Politiker dagegen nicht. „Denn wir hatten ja auch bisher einen deutschlandkritischen und sehr auf Amerika und auf die Person Trump fixierten polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda“, sagte Abraham. Die Tonalität könnte etwas „unharmonischer“ werden, was das Verhältnis zu Deutschland und zur Ukraine angehe. „Die Hauptkoordinaten bleiben aber auch für Präsidenten Nawrocki klar: Polen wird fest in der Europäischen Union verankert bleiben, wird sich auf die Nato konzentrieren und auch die Ukraine weiter unterstützen“, betonte Abraham.
Steinmeier betont enge Verbindung zwischen Deutschland und Polen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hob die enge Partnerschaft zwischen beiden Ländern hervor. Er gratulierte Nawrocki zur Wahl und schrieb laut einer Mitteilung: „Die deutsch-polnische Freundschaft ist mir ein Herzensanliegen. Lassen Sie uns gemeinsam die Freundschaft unserer Völker stärken!“ Deutschland wisse um seine immerwährende Verantwortung für das große Leid, das Deutsche über Polen gebracht hätten. „Umso dankbarer sind wir, dass Polen und Deutschland heute als enge Partner in der Europäischen Union und der Nato Seite an Seite stehen. Auf dem Fundament von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen wir eng zusammenarbeiten, um eine Zukunft Europas in Sicherheit, Freiheit und Wohlstand zu sichern“, betonte Steinmeier. Nawrocki trete sein Amt in einer für Europa sehr herausfordernden Zeit an, in der „wir auf Polen zählen“. Ein starkes Europa brauche eine gute deutsch-polnische Zusammenarbeit, erst recht in dieser Zeit. Steinmeier lud Nawrocki auch nach Berlin ein und wünschte ihm „stets eine glückliche Hand in Ihrem verantwortungsvollen Amt“.
In Warschau regiert seit Ende 2023 eine EU-freundliche Regierung unter Führung Tusks. Diese wird auch bleiben; allerdings kann ihr der Präsident, der in Polen deutlich mehr Befugnisse hat als beispielsweise in Deutschland, das Leben schwer machen.
Polens Präsident, der für fünf Jahre amtiert, hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, er ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Vor allem aber hat er ein Vetorecht, mit dem er in die Gesetzgebung eingreifen kann. Ministerpräsident Tusk hatte nach dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen geschrieben, nun habe der „Kampf um alles“ begonnen.
Etwa 29 Millionen Menschen waren am Sonntag wahlberechtigt. Das amtierende Staatsoberhaupt Duda, der der PiS nahesteht, konnte nach zwei Amtszeiten nicht noch ein weiteres Mal antreten. Der 53 Jahre alte Trzaskowski hatte im ersten Wahlgang 31,4 Prozent der Stimmen erhalten, Nawrocki kam auf 29,5 Prozent.